Hieronymus Herbarius und der Riesling



Er gilt als einer der Väter der Botanik. Hieronymus Bock, geboren 1498, wahrscheinlich in Heidelsheim (Bruchsal), gestorben 1554 im pfälzischen Hornbach – Botaniker, Pfarrer, Lehrer und Arzt.

Hieronymus Bock, der seinen Nachnamen in „Tragus“ (Ziegenbock) gräzisiert hatte, während der Volksmund ihn Hieronymus Herbarius nannte, veröffentlichte 1539 sein Hauptwerk, für das er botanische, medizinische und pharmakologische Studien unternommen hatte, durch Deutschland, die Ardennen und die Alpen gewandert war und mit dem er als einer der ersten Wissenschaftler seiner Zeit versucht hat, die mitteleuropäischen Pflanzen und ihre Heilwirkungen umfassend zu beschreiben: „Das Kreütter Buch, Darinn Underscheidt, Namen vnnd Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken vnnd Beumen, sampt jhren Früchten, so inn Deutschen Landen wachsen Durch H. Hieronymum Bock auss langwiriger vnd gewisser erfarung beschrieben„.

Dass Bocks Kräuterbuch ein so großer Erfolg wurde und bis ins 17. Jahrhundert hinein zahllose Neuauflagen und Nachdrucke erlebte, lang an drei Dingen. Zum einen waren seine tatsächlich umfassenden Beobachtungen und Beschreibungen weitaus genauer und zutreffender als alle bisherigen Werke dieser Art. Zum zweiten wurde das Buch so populär, weil es in Volkssprache geschrieben war und reichlich humoristische und bisweilen derbe Kommentierungen enthielt. Und es war ab der zweiten Auflage 1546 mit 477 Holzschnitten des jungen Straßburger Künstlers David Kandel versehen (siehe unsere Bilder), die den Text mit ebenfalls teilweise burleske Genreszenen erläuterten, über die sich die Leser amüsieren konnten.
Interessant vielleicht noch für uns heute, dass Bock in der lateinischen Fassung seine Buches 1552 dann zum ersten Mal auch die moderne Rieslingrebe beschreibt und zwischen „zamen“ und „wilden“ Weinreben unterscheidet.

Aber schauen wir auf das Leben des Hieronymus Bock. Über seine Jugend weiß man kaum etwas. 1520 immatrikulierte er sich als „H. Bock aus Schifferstadt, Diözese Speyer“ in Heidelberg, wo er wohl auch schon auch in Kontakt mit Martin Luthers Reformideen kam. Zwei Jahre später wurde er als Lehrer und Botaniker in Zweibrücken, der Residenz Herzog Ludwigs II. angestellt. Hier begegnete er 

dem führenden theologischen Kopf der Zeit, Johann Schwebel, dem späteren Reformator von Zweibrücken. Und hier heiratete er 1523 die Bürgertochter Eva Victor und bekam im Laufe der Jahre zehn Kinder mit ihr, von denen die meisten jedoch früh starben und nur ein Mädchen und der Sohn Heinrich länger lebten. 
In der Zwischenzeit wuchs seine Reputation als Botaniker und Arzt und 1532 wurde er zum Hofmedicus Ludwigs ernannt, konnte aber für den schweren Alkoholiker nichts mehr tun, der starb noch im selben Jahr.
Vermutlich um den renommierten Mann zu halten und finanziell abzusichern, gab der Zweibrückener Hof dem verheirateten Laien (!) Bock im Jahr darauf eine Pfründe in Hornbach und machte ihn zum Prediger an der ehemaligen Benediktinerkirche St. Fabian. Auch der dortige Abt, Johann Kintheuser, hatte dem nichts entgegensetzen, er lebte selber im Konkubinat.
Dass Bock mehr an seinen Pflanzen als an seinen Pflichten interessiert war, erzürnte allerdings die anderen Stiftsherren, die gegen ihn revoltierten. Bock ging aus der Auseinandersetzung als Sieger hervor; er musste zwar einen Teil der Stiftungseinlage nachzahlen, wurde aber von den Lehrverpflichtungen befreit und brauchte auch am Stundengebet nur teilnehmen, wenn es seine ärztlichen Pflichten und botanischen Studien erlaubten – und die waren lebenslang sein eigentliches Anliegen.
Um das Jahr 1537 herum wurde der Übergang des Klosters und Stifts zur Reformation vollzogen und Bock übernahm nun das Pfarramt der Gemeinde Hornbach, er wird in verschiedenen Protokollen erwähnt und veröffentlichte nun auch sein dickes Kräuterbuch.
1548 brachte das „Augsburger Interim“ einen großen Rückschlag für die Reformation. Das Interim war eine Verordnung Kaiser Karls V. für das Heilige Römische Reich, mit der er versuchte, seine Macht zu erhalten und die erstarkenden Protestanten klein zu kriegen. Da sich Karl keinen offenen Krieg gegen sie leisten konnte (er brauchte sie im Kampf gegen die Türken), sollte das Interim die kirchlichen Verhältnisse regeln, bis ein allgemeines Konzil über die Wiedereingliederung der Protestanten in die katholische Kirche endgültig entscheiden würde. An vielen Orten wurden die evangelischen Prediger entlassen, doch das Reichsgesetz stieß sowohl bei Protestanten als auch bei Katholiken auf viel Widerstand. In Zweibrücken versuchte man den Interimsbestimmungen besonders lange und listenreich zu umgehen und sie hinauszuzögern. Dennoch mussten die Äbte der vier Klöster des Landes gehen und wurden durch Katholiken ersetzt. Bock und den anderen lutherischen Stiftsherren wurden die Einkünfte gesperrt und sie 1550 ultimativ aufgefordert, entweder der lutherischen Lehre oder ihres Kanonikates zu entsagen.
Wie genau das bei Hieronymus Bock abgelaufen ist, wissen wir nicht. Aber im Juli 1550 finden wir ihn als Leibarzt Graf Philipps II. in Saarbrücken wieder. Bekannt ist, dass er hier einen Kräutergarten anlegte und aus dieser Zeit stammt auch sein einziges theologisches Werk, ein Sendbrief an die Gemeinde in Hornbach, in dem Bock seine ehemaligen Gemeindeglieder mahnt, trotz aller Re-Katholisierungsbemühungen des dortigen Abtes an der einmal erkannten Wahrheit der lutherischen Lehre festzuhalten. 1552 jedenfalls musste Karl V. das Interim wieder zurücknehmen und die konfessionelle Spaltung des Reiches im sog. „Passauer Vertrag“ akzeptieren. Hieronymus Bock konnte als Prediger nach Hornbach zurückkehren und starb hier zwei Jahre später. Zuvor hatte er noch weitere volksmedizinische Werke und die ganz bewusst in deutscher Sprache verfasst, so die „Bader-Ordnung“, eine Art Handbuch für den Badegast und „die Teutsche Speißkammer oder was gesunden und kranken Menschen zur Leibesnahrung gegeben werden soll“ – der wahrscheinlich erste neuzeitliche Ernährungsratgeber.

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