Cathérine Dior hat Rosen gezüchtet

cathérine dior hat rosen gezüchtet. über ihre zeit in der résistance und im kz hat die kleine schwester des berühmten modeschöpfers nie geredet
„ich wundere mich manchmal, wie ich es geschafft habe, weiterzumachen… für meine schwester, mit der ich die freuden des gärtnerns in callian geteilt habe, die verhaftet und dann deportiert wurde. ich habe alles versucht, um sie zu finden – umsonst. arbeit, anspruchsvolle, komplett absorbierende arbeit war die einzige droge, die mir ermöglicht hat, sie zu vergessen“.
als christian dior, der das schreibt, seine schwester, die eigentlich ginette heißt, aber wegen seines faibles für die heilige katharina ihren namen ändert, am 28. mai 1945 endlich wieder in die arme schließen kann, ist sie so abgemagert, dass ihr bruder sie erst nicht erkennt und kann das, was er ihr zum empfang gekocht hat, nicht essen, weil sie zu schwach ist.

cathérine, am 2.8.1917 geboren, ist die jüngste der fünf dior-geschwister. ihre mutter stirbt früh und der vater, besitzer eine düngelmittelfabrik, verliert sein vermögen beim großen börsencrash 1929, so dass sie als teenager mit ihm ihren geburtsort granville in der normandie verlassen und in ein kleines bauernhaus nach callian in die provence umziehen muss. 1936 folgt sie dem zwölf jahre älteren christian nach paris. während der seine ersten schritte in der modebranche macht, verkauft sie hüte und handschuhe in einer boutique. als der krieg beginnt, kehren beide zum vater zurück, bauen gemüse an und verkaufen es auf einem wochenmarkt in cannes.

im november 1941, christian ist inzwischen wieder in paris, lernt cathérine beim einkaufen in cannes zufällig hervé des charbonneries kennen – genauso so alt wie christian, verheiratet, vater dreier kinder und gründungsmitglied der résistance. die anhängerin de gaulles verliebt sich nicht nur in ihn, sie schließt sich auch seinem widerstandnetzwerk F2 an. sie wird teil der „massif central“-sektion, einer von der polnischen exilregierung für den einsatz in frankreich eingerichteten, von großbritannien finanzierten geheimdiensteinheit.

cathérines sammelt informationen über deutsche truppenbewegungen und kriegsschiffe und übermittelt sie nach london. sie gilt als gelassen und unerschrocken, unternimmt lange touren mit dem fahrrad, um andere agenten zu kontaktieren, versteckt belastendes material, geht, als cannes zu gefährlich wird, zu christian nach paris und nutzt seine wohnung in der rue royale für ihre untergrundtreffen. was sie wagt, ist extrem gefährlich. über die hälfte der rund 2000 F2-leute werden im laufe der zeit gefasst, deportiert oder ermordet.

am 6. juli 1944 wird auch cathérine zusammen mit anderen mitgliedern ihrer gruppe am place du trocadéro in der rue de la pompe von der gestapo verhaftet. jean desbordes, der freund und liebhaber jean cocteaus stirbt nach vier tagen unter der folter. auch sie soll ihre kameraden verraten, wird im gefängnis von fresnes tagelang schwer misshandelt, und schweigt.

christian bemüht indes alle seine kontakte (er arbeitet mit lucien lelong bei balmain, wo auch die frauen der nazi-offiziere einkaufen), um die freilassung seiner kleinen schwester zu erreichen. seinem freund raoul nordling, dem schwedischen generalkonsul, gelingt es am 18. august schließlich, die deutschen davon zu überzeugen, catherine unter den schutz des schwedischen staates zu stellen, doch die war drei tage vorher bereits mit einem der letzten gefangenenzüge nach ravensbrück deportiert worden.

cathérine dior, häftling 57813, muss in ravensbrück den roten winkel der politischen tragen und wird in das arbeitslager torgau, ein außenlager von buchenwald, weiter verlegt, um in einem stillgelegten kalibergwerk blindgänger in einem säurebad zu reinigen, eine äußerst gesundheitsschädliche arbeit, die viele häftlinge das leben kostet. anschließend wird sie mit 250 anderen französinnen zur zwangsarbeit in ein bmw-werk in abteroda weitergeschickt, und im februar 45 noch in junkers flugmotorenwerk nach leipzig-markkleeberg. als die ankunft der allierten unmittelbar bevorsteht, werden die häftinge von der ss „evakuiert“, d.h auf den todesmarsch geschickt. cathérine gelingt am 21. april bei dresden die flucht.

nachdem cathérine dior sich in der provence etwas erholt hat, zieht sie mit in christians pariser wohnung und verkauft zusammen mit hervé des charbonneries auf dem markt les halles blumen aus südfrankreich und den französischen kolonien. später gehen sie nach callian zurück, wo cathérine mit hervé bis zu ihrem tod am 17. juni 2008 eine rosenfarm unterhält, die berühmte grasse-rose kultiviert und kunden in aller welt beliefert.

als christian dior im februar 1947 in einem pariser salon seine erste modekollektion vorgestellt hat, wurde dort auch sein „miss dior“-parfüm versprüht. der legende nach hatte er gerade mit seiner muse mitzah bricard über einen namen für seinen ersten duft nachgedacht, als cathérine zufällig den raum betreten und bricard ausgerufen habe: „tiens, voilà, miss dior!“. so sei es zu dem namen des blumigen dufts gekommen, von dem wohl niemand in der haute-couture-szene und keine frau, die ihn sich an den hals tupfte ahnte, dass er nach einer mutigen frau benannt war, deren körper noch die spuren der folter trugen und der die erlittenen leiden ihr leben lang ins gesicht geschrieben standen.
christian dior soll auch eines seiner kleider und die caro-tasche nach ihr, die in der résistance den decknamen „caro“ trug, gewidmet haben. einen beleg aus seinem mund gibt es dafür nicht. beide geschwister haben über dies kriegszeit geschwiegen. der britischen journalistin justine picardie ist es dank hartnäckiger recherchen trotzdem gelungen, ein kenntnisreiches buch über diese außergewöhnliche geschwisterliebe zu schreiben, das 2022 in deutscher übersetzung bei aufbau erschienen ist: „miss dior. eine geschichte von courage und couture.“

foto: herbst 1945

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