
bei der dame hab ich spontan auf kokett-gelangweilte salon-tussi getippt. weit gefehlt. cristina trivulzio di belgiojoso – *28.juli 1808 – war eine antikonformistin und autorin, eine leidenschaftliche, kluge und starke figur in der italienischen einigungsbewegung
die mailänder aristokratin heiratete mit 16, verließ ihren fremdgehenden gatten mit 20 und widmete sich fortan dem kampf gegen die habsburgische fremdherrschaft, bis die österreicher 1833 ihren besitz wegen „hochverrats“ beschlagnahmten und sie auf abenteuerliche weise erst in die schweiz und dann nach frankreich floh: „reiche erbin, aufgewachsen in den bräuchen der mailänder aristokratie, wusste ich absolut nichts von den notwendigkeiten des lebens )…) ich konnte den wert eines fünf-franc-stücks nicht schätzen (…) ich konnte malen, singen, klavier spielen, aber ich hätte nicht gewusst, wie man ein taschentuch säumt, ein hartgekochtes ei kocht oder eine mahlzeit zubereitet.“ das hat die prinzessin dann in paris gelernt und sich mit dem nähen von spitzen und rosetten über wasser gehalten.
irgendwann bot ihr der „constitutionnel“-herausgeber alexandre bouchon an, artikel zur italienischen frage für seine zeitschrift zu schreiben, und irgendwann bekam sie auch unterhalt von ihrem weiterhin mit ihr verheirateten ehemann und von ihrer mutter, so dass cristina trivulzio die italienschen rebellen und die einigungsbewegung mit geld, waffenkäufen und mit ihren schriften unerstützen und einen politisch-literarischen salon betreiben konnte. ein zeitgenosse: „niemand tat in frankreich mehr als sie, um die italienische sache zu fördern. diese idee atmete man im haus der fürstin sozusagen mit der luft ein.“
in trivulzios salon verkehrten general la fayette, balzac, chopin, liszt, bellini und heine, der ihr sein ganzes leben lang verbunden blieb, sie in den „florentinischen nächten“ mit einer lombardischen madonna verglich und schrieb, ihr gesicht scheine ihm „aus einem gemälde des fünfzehnten jahrhunderts, aus einem fresko der lombardischen schule, vielleicht aus ihren luini oder sogar aus den gedichten von ariosto“ zu stammen, und an sie selbst: „sie sind der vollkommenste mensch, den ich auf der erde gefunden habe.“
nach einer amnestie konnte trivulzio 1840 wieder nach italien einreisen und pendelte in den nächsten jahren zwischen paris und locate bei mailand hin und her. sie gründete einen kindergarten (senkte damit die analphabetenrate), eine grundschule für jungen und mädchen, eine berufsschule für mädchen, eine landwirtschaftliche fachschule sowie handwerkswerkstätten für maler, buchbinder und restauratoren, richtete in ihrer villa einen „wärmeraum“ für mütter und kinder ein und versorgte sie mit mahlzeiten und kranke mit medikamenten. trivulzio: „die gesellschaft, wie sie heute besteht, ist ein krasser widerspruch gegen die gerechtigkeit gottes, der beseitigt werden muss.“
in dieser zeit verfasste sie zudem mehrere historische werke über die lombardei, die österreichische fremdherrschaft und den ursprung des katholischen dogmas (letzteres landete auf dem index des vatikan), leitete mit der gazzetta italiana eine zeitung und gründete eine eigene („ausonius“), als sie keinen verleger mehr fand, der bereit war, ihre staatsgefährdenden ideen einer italienischen republik nach französischem vorbild (zu der erst die einigung des landes nötig sei, die sie mit unterstützung der savoyer monarchie erreichen wollte) zu veröffentlichen.
als 1848 der aufstand der „fünf tage von mailand“ ausbrach hielt sich trivulzio in neapel auf. sie reiste sofort nach mailand und brachte 200 freiwillige mit. doch dann marschierten die österreicher ein und sie wurde wie viele andere wieder ins exil gezwungen. verbittert kehrte trivulzio nach paris zurück, verdoppelte ihre bemühungen, die regierung durch die presse, die salons und ihre kontakte zu überzeugen, erreichte aber nichts und kümmerte sich 1849 stattdessen in rom während der schlacht zur verteidigung der römischen republik um die organisation der lazarette. doch auch hier wurde die patriotenbewegung unterdrückt, und zwar mit hilfe der franzosen, auf die cristina so sehr gesetzt hatte. sie fühlte sich verraten, segelte nach malta und griechenland, landete schließlich in der nähe des heutigen ankara, wo sie eine farm kaufte und mit anderen italienischen exilanten ziegen züchtete und weiter bücher schrieb.
nach einer weiteren amnestie der österreicher konnte cristina trivulzio di belgiojoso 1855 nach mailand zurückkehren, wo sich 1861 ihr lebenstraum erfüllte. italien wurde ein eigenständiger nationalstaat. zehn jahre später starb sie, die lebenslang gekränkelt und an epilepsie gelitten hatte, mit 63 jahren, und war – anders als ihre männlichen kampfgefährten – bald vergessen.
