Blumenfeld: bild- wie sprachgewaltig

erwin blumenfeld, am 26. januar 1897 in berlin geboren (papa betrieb die regenschirm- und spazierstockfirma „jordan & blumenfeld), gilt als einer der großen fotografen des 20. jahrhunderts, wenn auch im gering geachteten bereich der modefotografie. 

besonders lieb sind mir seine weniger bekannten, frühen, zwischen 1916 und 1933 entstandenen (dada-)montagen. in dieser zeit nutzte er den fotoapparat noch hauptsächlich für private bilder und hatte die dunkelkammer für sich und seine montageexperimente entdeckt. 
während der junge blumenfeld, der sich selbst als bücherfresser und exzessiven theater- und museumsgänger beschreibt, noch bei „moses & schlochauer. damenkonfektion am hausvogteiplatz“ in die lehre geht, zieht es auch die avantgarde nach berlin – expressionisten, kubisten, futuristen, abstrakte. er lernt piscator kennen, grosz, die brüder herzfeld, und sitzt neben lasker-schüler, mynona & co im café „größenwahn“, dem café des westens, der berliner ideenbörse und experimentierbühne. ein glück, das nicht andauert. der erste weltkrieg beginnt und sein deutsch-nationaler vater nötigt blumenfeld an die westfront. da ist er sanitätsfahrer, er selbst nennt es „leichenkutscher“. das, was er hier erlebt, wird ihn sein leben lang begleiten. sein bruder heinz stirbt vor verdun „für das deutsche vaterland, das jüdische familienleben und den irrsinn der welt“. 
erwin überlebt, geht nach amsterdam, heiratet lena citroen, wird vater dreier kinder, scheitert im kunsthandel und anschließend in der modebranche. hier, festgefahren in den familiären konstellationen einer holländischen bürgerfamilie, beginnt er mit seinen anarchistischen collagen, thematisiert ganz im sinne der dadaisten den zusammenbruch der alten ordnung, das absurde und gefährliche der menschlichen natur, die politischen gesten als lüge und illusion.
jahrzehnte später werden seine grandios geschriebenen erinnerungen aus dieser zeit („einbildungsroman“) erst einmal keinen verleger finden. sie sind zu absurd, grotesk, sarkastisch, respektlos – und wundervoll. blumenfeld wird hier sprache und worte genauso lustvoll, unorthodox und mehrdeutig montieren wie zuvor seine bilder. er wird ein bissiges sittenbild der wilhelminischen gesellschaft zeichnen und die grauen des krieges in schwarzem humor verpacken, er wird „die spießer und die leute, die an zwei weltkriegen schuld sind“ anprangern und die deutschen, die ihre große kultur verraten haben. die berliner – und sich selbst – nimmt er von all dem aus: „nie war ich deutscher. in wahrheit war ich nur berliner und bin’s geblieben… genauer: südwestberliner und westwestberliner“.
in den montagen jedenfalls, die der phantasiebegabte im holländischen exil aus fotos, postkarten, werbezetteln, kalenderblättern und eigenen arbeiten klebt, schnipselt, zeichnet und beschreibt, war all das schon angelegt. auch die ambivalenz, sein faible für spiegelbilder, doppelbelichtungen, schönheit und tod, zart und grob. dada, inzwischen in ganz europa verbreitet, kam ihm dabei entgegen, inhaltlich – mit dem ironischen, totalen zweifel, mit dem abscheu vor bigotterie, militarismus, obrigkeitshörigkeit, und technisch – mit dem zusammenführen verschiedener kunstformen und der fotomontage, die (vermutlich) zuerst von hannah höch und raoul hausmann in die berliner dada-bewegung eingebracht worden war.
in düsteren collagen – wie den hitler-totenköpfen von 1933 – nimmt blumenfeld vorweg, was noch kommen sollte, auch für ihn selbst. 1936 flieht er als illegaler ausländer nach paris, 1939 bekommt er in amerika den ersten vertrag mit „harper‘s bazaar“, dem modemagazin, das ihn neben der „vogue“ später berühmt machen wird. als er 1940 noch einmal nach frankreich zurückkehrt, wird er verhaftet. es beginnt eine zweijährige odyssee durch diverse internierungslager. 1941 gelingt die ausreise mit frau und kindern in die usa. die kometenhafte karriere, die blumenfeld mit seinen eleganten, grafisch anmutenden bildern dort als (mode-)fotograf macht, wären auch ein thema…

Hinterlasse einen Kommentar