
anna maria von schurmann (1607–1678), todestag heute, eine universalgelehrte und absolute ausnahmeerscheinung ihrer zeit
anna maria wurde in köln geboren, wohin die protestantische familie ihres vaters während der glaubenskrieg aus antwerpen geflohen war. friedrich van schurmann heiratete hier die rheinische adlige eva von harff und nachdem es auch in köln zu religiösen verfolgungen gekommen war (wir befinden uns mitten im 30-jährigen krieg), zog das ehepaar mit seinen kindern nach franeker. ihre einzige tochter anna marie wurde sehr religiös erzogen, und fiel bald auf, weil sie außerordentlich sprachbegabt war. ihr vater unterrichtete sie in latein, deutsch und niederländisch. später lernte sie autodidaktisch englisch, französisch, italienisch, altgriechisch, hebräisch, arabisch, chaldäisch – insgesamt zwölf sprachen.
nach dem tod des vaters 1623, inzwischen lebte die familie in utrecht, widmete sie sich – wie sie es ihm versprochen hatte – ganz der wissenschaft und bildung, erarbeitete sich ein umfassendes universalwissen durch selbststudium und privatunterricht in geographie, geschichte, astronomie, mathematik, biologie und medizin. im zuge ihrer beschäftigung mit dem judentum und islam schrieb sie den koran in arabisch ab und verfasste auch eine grammatik für altäthiopische sprache. daneben malte sie porträts, lernte sticken, glasmalerei, kuperstechen und holzschneiderei, musizierte und schrieb gedichte.
1636 wurde die universität utrecht gegründet. obwohl anna maria von schurmann längst als beste latinistin des landes und die gelehrteste frau europas galt, wurde sie nicht zum (theologie-)studium zugelassen, da die universität männern vorbehalten war. in gedichten, in denen sie beklagte, dass frauen nicht in die „heiligen hallen der gelehrsamkeit“ gelassen würden und in ihrer denkschrift „dissertatio num feminae christianae conveniat studium litterarum“ (ob einer christlichen frau wissenschaftliches studium anstehe) setzte sie sich für die frauenbildung ein, wie sie es zuvor bereits schon in briefen und abhandlungen getan hatte.
diese schrift und die fürsprache des reformierten theologen und rektors der utrechter universität, ermöglichten ihr ab den späten 1630er-jahren schließlich als erster und einziger frau das studium an der universität. allerdings war sie nicht offiziell eingeschrieben und durfte nur getrennt von den männern in einem vergitterten verschlag und durch einen vorhang verdeckt an den vorlesungen teilnehmen.
beides brachte ihr weitere und europa-weite bekanntheit und den austausch mit honorigen wissenschaftlern und prominenten wie rené descartes, madeleine de scudéry, maria de medici und richelieu. gelehrte aus ganz europa schrieben ihr, disputierten mit ihr oder besuchten die frau, die andere frauen ermutigte, es ihr nachzutun und die wahlweise als „mirakel von köln“, „zierde (oder stern) von utrecht“ oder „ehre des universums“ bezeichnet wurde.
anna maria von schurmann war ein zutiefst religiöser mensch, der sich schon von jugend an um ein frommes leben nach alttestamentlichen gesetzen inklusive der heiligung des schabbat bemühte. im alter verstärkten sich ihre mystische tendenzen und die frömmigkeit und sie schloss sich den frühpietisten um jean de labadie an, distanzierte sich von ihrem früheren wirken (als intellektuell eitel) und lebte bis zu ihrem tod in der herumwandernden in „urchristlicher“ weise lebenden glaubensgemeinschaft der labadisten.
