Die Puppe im Sarg

die puppe lag in einem sarkophag, der 1889 in rom in unmittelbarer nähe des tibers ausgegraben wurde. finde es immer wieder verblüffend, was forscher alles aus ihren funden schließen, wie hier zb. auf eine kleine unglückliche liebesgeschichte…
die grabinschrift bestand nur aus einem namen: crepereia tryphaena. der wahrscheinlich griechischer herkunft ist und auf eine mögliche vorgeschichte ihrer familie als freigelassene sklaven verweist. als ihr sarkophag geöffnet wurde – den außen ein einfaches relief schmückte, das sie auf dem totenbett zeigt, umgeben von einem trauernden paar, offensichtlich den eltern –, war er noch voll flusswasser und die zahlreich anwesenden zuschauer entsetzt, da man nur einen schädel mit langen braunen haaren sah, die im wasser trieben (die haare entpuppten sich dann aber als wasserpflanzen).
die untersuchung des noch intakten skeletts ergab, dass crepereia etwa 19 jahre alt wurde. das meiste aber, was man über sie weiß oder zu wissen glaubt, ist den grabbeigaben zu verdanken, die sie ins jenseits begleiten sollten und die mit der trocknung des sarkophags allmählich nacheinander zum vorschein kamen.
zum einen war das der reiche goldschmuck, der ihr bei ihrer beerdigung angelegt worden war – perlenohrringe, eine halskette mit 37 grünen jaspis-anhängern, eine brosche mit einem amethysten, ein haarreif. außerdem lag ein kosmetik-kästchen mit kämmen, spiegel, haarnadeln usw im grab und ein kleiner goldener ring mit einem karneol, in den der name „filetus“ eingraviert ist. bei diesem ring soll es sich um einen sog. anulus pronubus handeln, den beleg für das eheversprechen zwischen eben diesem filetus und crepereia tryphaena. da er zu klein für die tote war, glauben die archäologen, dass die beiden einander schon als kinder versprochen worden sind.
und da in dem sarkophag außerdem eine myrthenkrone gefunden wurde, die nur bei der heirat getragen wurde, sowie feinste weiße stoffreste, schlussfolgern einige, dass crepereia am vorabend ihrer eheschließung gestorben ist und in ihrem hochzeitskleid begraben wurde.
zu dieser these passt auch die puppe. sie ist aus elfenbein gefertigt (und sieht nur durch das lange liegen im wasser dunkel wie holz aus) und 23 cm groß. ihre arme und beine sind beweglich, sie trug vermutlich ursprünglich ein kleid und hat ein fein ausgearbeitetes gesicht und eine komplizierte frisur, die in rom von faustina minor (der frau von marcus aurelius) populär gemacht wurde, so dass die beerdigung der jungen frau auf etwa die mitte des 2. jahrhunderts u.z. zu datieren ist.
aber warum das kinderspielzeug im grab? nach römischer tradition war es üblich, dass bräute am vorabend ihrer hochzeit die puppen aus ihrer kindheit weiblichen gottheiten (wie venus oder diana) opferten, als symbol für das endgültige ende ihrer kindheit und ihren eintritt in ihr neues leben als frau. da es im fall von crepereia dazu nicht mehr gekommen ist, landete die puppe wohl mit im grab. end, ohne happy.
aber der dichter giovanni pascoli (1855-1912) hat crepereia immerhin ein verslein gewidmet:
vitrea virgo sub aqua latebas / at comans summis adiantus undis nabat. / an nocti dederas opacae spargere crinis?
du hast dich versteckt, mädchen, im durchsichtigen wasser, / und dein farnhaar schwamm auf der welle. / hast du der dunklen nacht das privileg eingeräumt, sie aufzulösen?

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