Kekse von Mengele

dinah gottliebová-babbitt (1923–2009) überlebte auschwitz, weil sie zeichnen konnte und josef mengele ihre bilder gefielen.

dinah studierte malerei und bildhauerei in brno und wurde mit 19 jahren mit ihrer mutter von prag aus erst nach theresienstadt, dann nach auschwitz verschleppt. hier traf sie ihren vater und dessen neue familie wieder, alle wurden vergast. und hier traf sie fredy hirsch, der sie aus brno kannte. hirsch war vorsteher der kinderbaracke und bat sie, ein bild für die kinder zu malen. „schneewittchen“ von walt disney war der letzte film, den sie als jüdin hatte noch im kino sehen dürfen. so zeichnete sie eine bunte szene aus dem film – mit bergen, wiesen, dem schneewittchen und den zwergen – an die barackenwand. der lagerarzt franz lucas, der auf der rampe die neuangekommenen selektierte (und bis in die 1980er landarzt in holstein war!), brachte sie daraufhin zu josef mengele in das e-lager in birkenau, das „zigeunerlager“. mengele war begeistert, er war gerade dabei fotos für ein buch über seine genetischen und anthropologischen experimente an sinti und roma zu machen, mit dem er deren „rassische minderwertigkeit“ zu belegen gedachte und befahl ihr nun, für ihn haargenaue porträts von den opfern seiner perfiden versuche anzufertigen. mengele kontrollierte jedes aquarell penibel. sie sollte die farbnuancen der haut ganz genau wiedergeben (was fotos damals noch nicht konnten), den haarsansatz, die ohren, den mund – alle details, die vermeintlich nicht-arisch waren. so brauchte sie für ein porträt zwei wochen. aber mengele war zufrieden und dank dessen konnte dinah erreichen, dass sie und ihre mutter nicht vom familienlager ins arbeitslager verlegt wurden, das den sicheren tod bedeutet hätte. mengele brachte ihr auch kekse mit und führte einen freudentanz vor ihr auf, als sein sohn geboren wurde. ihre spezielle aufgabe endete im august 1944, nachdem alle noch übrigen sinti und roma ermordet worden waren. nun musste sie mengeles experimente zeichnen, u.a. das in formaldehyd eingelegte herz eines häftlings, den sie noch am morgen lebend gesehen hatte. dinah zeichnete um ihr leben – auch „dr. mengele“ (so nannte sie ihn bis zum schluß) selbst, auch polnische und tschechische häftlingsfrauen und da sich ihr talent herumgesprochen hatte, diverse ss-leute und ihre familien, und tauschte die zigaretten, die sie dafür bekam, gegen brot ein…
als die ss begann, das lager zu liquidieren, wurden dinah und ihre mutter am 19. januar 1945 auf den todesmarsch nach ravensbrück geschickt. im nebenlager neustadt-glewe musste sie nun nummern auf dornier-flugzeuge pinseln. hier wurde sie im mai 1945 befreit. dinah gottlibova ging nach paris, lernte den trickfilmzeichner art babitt kennen, er war der erfinder von „goofy“ und ausgerechnet an der realisierung von „schneewittchen“ beteiligt gewesen. 1947 heirateten sie (der mann, den sie in theresienstadt geliebt hatte, karel klinger, war zwei tage vor der befeiung in dachau an typhus gestorben; ein bekannter hatte ihr später ein stück papier übergeben, auf das er noch geschrieben hatte: “ich wünsche dir ein gutes leben“ und „ich erkläre hiermit dinah gottliebová zu meiner angetrauten ehefrau.“)
dinah ging mit art in die usa. hier arbeitete sie weiter als zeichnerin und animateurin, u.a. für „speedy gonzalez“. 
seit 1973, als sieben ihrer „zigeuner“-tuschzeichnungen wieder aufgetaucht waren bzw. ihr zugeordnet werden konnten, und bis zu ihrem tod 2009, kämpfte dinah mit unterstützung vieler prominenter (u.a. art spiegelman) um die rückgabe der bilder. das museum argumentierte jedoch (und tut es bis heute), unterstützt damals u.a. durch romani rose, wladyslaw bartoszewski und das internationale auschwitz kommitee, dass die zeichnungen zwangsweise angefertigt wurden, also niemals in ihrem besitz gewesen seien und auch nicht zum privaten gebrauch oder „zum verteilen“ bestimmt; sie gehörten der „menschheit“ und hätten in der ausstellung zum „zigeunerlager“ einen wichtigen dokumentations- und bildungsauftrag und der sei durch kopien nicht ersetzbar (sie würden ja auch nicht das lagertor an die zurückgeben, die es gießen mussten). schwierige kiste…

foto: dinah und die junge französin celine, eine der ersten roma, die sie für mengele malen musste und die sie im alter noch einmal nachgezeichnet hat. celines baby war verhungert, sie selbst starb im gas.

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