Sie nannten ihn Leo

leo jogiches *17.juli 1876 

„insbesondere verhaßt wurde mir auch die ganze ›politik‹, derentwegen ich […] die briefe von vater und mutter wochenlang nicht beantwortete, nie für sie zeit hatte wegen dieser weltbewegenden aufgaben (und das dauert bis zum heutigen tage an), und du wurdest mir verhaßt als derjenige, der mich für immer an diese verfluchte politik geschmiedet hat.“ – das schreibt rozalia luksemburg 1905, kurz vor dem ende ihrer beider liebesbeziehung an „dziodziu“, der sie nachhaltig politisiert und neben karl liebknecht lebenslang ihr kampfgefährte bleiben wird.

leo jogiches, der „unsichtbare“ mann in diesem trio, aus einer begüterten familie in wilna stammend, ist wegen seiner revolutionären umtriebe ständig auf der flucht, im gefängnis oder im untergrund („er war so konspirativ, daß nach einem witz, der in parteikreisen kursierte, er selbst nicht wußte, wo er wohnte“). der berufsrevolutionär organisiert streiks, gründet die sozialdemokratische partei polens mit, betätigt sich unter dem namen jan tyszka als autor gegen soziales unrecht und militarismus, bringt in warschau die zeitung „czerwony sztandar“ (rotes banner) heraus und in deutschland die „spartakusbriefe“. er ist mitgründer des spartakusbundes und der kpd, deren leitung er 1918, einen tag nach der ermordung ihrer führer liebknecht und luxemburg durch rechtsextreme freikorpsleute übernimmt. leo jogiches ermittelt die namen der mörder und benennt sie in einem artikel, der am 12. märz in der „roten fahne“ erscheint. er selbst ist da schon zwei tage tot. freikorps-angehörige (die unter den augen der spd in der weimarer republik noch karriere machen werden) haben auch ihn ausfindig gemacht, in das kriminalgericht moabit verschleppt, misshandelt und rücklings erschossen.

käthe kollwitz notiert am 16. märz 1919: „mal wieder im leichenschauhaus gewesen, einen erschossenen gezeichnet… sie nannten ihn leo.“

karl radek verfasst in seiner zelle in moabit, ebenfalls noch im märz 1919 eine würdigung des trios karl, rosa und leo. hier das kapitel über leo jogiches online: http://www.projekt-gutenberg.org/radek/rosakarl/chap003.html

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