
isabelle eberhardt (1877–1904) war eine schweizerin mit russisch-deutschen wurzeln, die von ihrem armenischen (stief-?)vater, einem ex-priester und anarchisten, zuhause unterrichtet wurde, angeblich schon mit zwölf mehrere sprachen konnte, für den orient schwärmte und sich seit ihrem 19. lebensjahr hauptsächlich in nordafrika aufhielt. gesicherte daten über ihr leben gibt es nicht viele. berühmt-berüchtigt wurde die junge frau aber, weil sie sich keiner konvention anpasste, sich „si mahmoud saadi“ nannte, in landestypischer männerkleidung herumlief (wohl weniger aus romantik als aus praktischen gründen und weil sie so zugang zu den kaffehäusern, bars und bordellen hatte, die, wie sie stolz schrieb, eigentlich nur männern offen standen), allein auf ihrem pferd durch die wüste ritt, fließend arabisch sprach, zum islam übertrat, in eine muslimische männerbruderschaft aufgenommen wurde und später in einen sufi-orden, mit nomaden herumzog, als kriegsreporterin unterwegs war, einem attentat als vermeintliche spionin entging, zahlreiche liebhaber verschlissen hat, und am ende mit nur 27 jahren ertrank, als ihre lehmhütte nach einem heftigen regen von einer flutwelle hinweggerissen wurde.
eberhardt schrieb tagebücher, reisebeschreibungen und geschichten, in denen sie auch die französische kolonialherrschaft, die bürgerlichen konventionen und die frauen zugedachten rollen bzw. die resultate davon anprangerte („… ein haufen neurotischer, orgiastischer, hirnloser und bösartiger weiber… die frauen verstehen mich nicht… wenn die frau zur gefährtin des mannes wird, wenn sie aufhören, ein spielzeug zu sein…“). zugleich kommen ihre texte oft reichlich klischeebehaftet, weltfremd und romantisierend daher und verklären die schicksalsergebenheit und den orient als heile erstrebenwerte welt (auf deutsch gibt es zb. ihr buch „sandmeere“, für leute, die von sonnenuntergängen nicht genug kriegen können:).
zu ihren lebzeiten wurde nur wenig von isabelle eberhardt gedruckt, aber in den 1970er jahren verhalf die frauenbewegung ihr zum ersten tatsächlichen ruhm, als vorbild und ideale projektionsfläche in puncto unabhängigkeit, selbstbestimmung, identitätswechsel, geschlechterrollen usw.
schwer zu sagen, inwieweit sich ihr reales leben mit ihren figuren deckte (frauen, die sich lieber prostituieren als das schweigende eigentum ihres mannes und an sein haus gefesselt zu sein usw.) und inwieweit der konsumverzicht und das „ursprüngliche leben“, das sie propagierte, immer so gewollt waren. zu stark wurde später in ihr werk eingegriffen und zu viel hat sie auch selber an ihrem mythos gestrickt. ihre freiheit jedenfalls war teuer erkauft. „wie immer fühle ich aber auch eine endlose traurigkeit, die meine seele beschleicht, ein unbeschreibliches verlangen nach etwas, das ich nicht in worte fassen kann, wehmut über ein woanders, das ich nicht benennen kann…“. – isabelle eberhardt blieb eine ewig getriebene, sie litt unter ihrer sinnsuche, unter der einsamkeit, unter depressionen, unter ständiger geldnot, war gezwungen, sich durchzuschnorren und zu -schlafen, war schwer alkohol- und drogenabhängig, an malaria erkrankt, hatte alle zähne verloren, und schon einen mißglückten selbstmordversuch hinter sich, als sie starb. dort, in algier, und in genf, wo sie geboren wurde, erinnert jeweils eine straße an die bemerkenswerte junge frau. #wildechajes
