
am 4. februar 1738 wurde joseph süß oppenheimer wurde vor 20000 schaulustigen erdrosselt. und sein leichnam anschließend in einem rot gestrichenen käfig sechs jahre lang in der residenzhauptstadt stuttgart öffentlich ausgestellt. die schrift, mit der der tübinger hofgerichtsadvokaten andreas michael mögling oppenheimer damals verteidigen wollte, ist erst vor zehn jahren aufgetaucht. ein später zusätzlicher beleg dafür, dass sich das gericht überhaupt nicht mit ihr befasst hatte; anders als in den vorhandenen siebeneinhalb metern akten zu dem fall weist sie keinerlei bearbeitungshinweise auf und die richter hatten sie aus den prozessakten entfernen lassen. aber man wußte auch
vorher längst, dass das todesurteil bereits vor dem beginn des schauprozesses gegen oppenheimer festgestanden hatte. die bürger waren dazu aufgerufen worden, ihn zu denunzieren (607 stuttgarter folgten dem aufruf), seine wohnungseinrichtung und alle wertgegenstände wurden bereits ein halbes jahr vor der verurteilung versteigert und eine berufung wurde ihm verweigert.
über die familie und jugend oppenheimers ist wenig bekannt. seine eltern waren ben isachar süßkind aus der pfalz und michal chasan aus frankfurt. er wächst ins heidelberg auf, verbringt seine lehrjahre als handelsgehilfe zwischen prag, amsterdam und wien. und handelt dann mit waren, juwelen und geld in bonn, darmstadt und frankfurt, wo er als einer der wenigen juden nicht im ghetto wohnen muss und der hochadel, u.a. die familie thurn und taxis zu seinen kunden gehört. er springt immer dann ein, wenn banken sich weigern, den aufwändigen lebenswandel der verschuldeten adligen zu finanzieren. ab 1734 lebt er in stuttgart, wo ihm der geldgeile herzog carl alexander von württemberg bald den titel eines „geheimen finanzrates“ verleiht und ihm zu seinem berater macht (und er sich damit reichlich feinde). zum inner circle gehört er trotzdem nicht. der herzog, der zuletzt einen umsturz der württembergischen stände- und religionsverfassung plant, weiht oppenheimer nicht ein. aber der ahnt etwas. mehrfach bittet er darum, seinen abschied nehmen zu dürfen. der herzog lehnt das ab und droht, ihn für vogelfrei erklären zu lassen. doch dann stirbt carl alexander plötzlich, und oppenheimer wird sofort verhaftet…
heute wird davon ausgegangen, dass oppenheimer lediglich die vorstellungen carl alexanders von einer rigiden geld- und steuerpolitik durchgesetzt hatte. sein prozess war eine abrechnung mit der politik des herzogs. der hatte noch die schulden seines vorgängers und den polnischen nachfolgekrieg am hals, führte ein ausschweifendes leben und hatte ständig frisches geld gebraucht, das er sich von der beamtenschaft und dem bürgertum holen ließ, die ihn dafür hasste und dafür, dass er zum katholizismus übergetreten war. all das ließ sich auf oppenheimer transportieren. keiner der eigentlichen vorwürfe – hochverrat, beraubung öffentlicher kassen und münzverschlechterung (intime beziehungen zu christinnen, onanie und schändung der protestantischen religion waren behelfsanklagepunkte) – konnte bewiesen werden. aber oppenheimer war als jude und erfolgreicher mann mit vielen neidern der ideale sündenbock. und als „jud süß“ die inspiration für autoren von hauff über feuchtwanger bis zu harlan mit seinem perfiden hetzfilm, wie für legenden und fiktionen aller art. oppenheimer hatte recht: „es wird so voller scharteken von meiner person in der welt herum fliegen, daß man zuletzt nicht wissen wird, wer ich gewesen.“
