Sie bewegt sich (oder nicht)

galileo galilei *15.2.1564

„eppur si muove“. sie bewegt sich (oder) doch (nicht):

„Die Persönlichkeit Galileis, wie sie uns aus populärwissenschaftlichen Werken entgegentritt, hat noch weniger Bezug auf die historischen Gegebenheiten als im Falle des Kanonikus Koppernigk. Bei Galilei aber handelt es sich nicht mehr um wohlwollende Gleichgültigkeit gegenüber dem Individuum, unabhängig von seiner Leistung, sondern um eine weitgehende parteigebundene Stellungnahme. In theologisch angehauchten Werken erscheint er als ein Störenfried, während die rationalistische Mythographie ihn als Jungfrau von Orleans der Naturwissenschaft oder als St. Georg hinstellt, der den Drachen der Inquisition erschlug. Es überrascht daher kaum, daß der Ruhm dieses hervorragenden Mannes in der Hauptsache auf Entdeckungen beruht, die er nie machte, und auf Heldentaten, die er nie vollführte. Im Gegensatz zu dem, was in den meisten Darstellungen des Werdegangs der Naturwissenschaften zu lesen steht, erfand Galilei das Teleskop nicht, ebensowenig wie das Mikroskop, das Thermometer oder die Pendeluhr. Er entdeckte weder das Trägheitsgesetz noch das Kräfte- und Bewegungsparallelogramm noch die Sonnenflecken. Er leistete keinen Beitrag zur theoretischen Astronomie; er warf keine Gewichte vom schiefen Turm zu Pisa und bewies die Richtigkeit des kopernikanischen Systems nicht. Er wurde von der Inquisition nicht gefoltert, schmachtete nicht in ihren Verliesen, sagte nicht „und sie bewegt sich doch“ und war kein Märtyrer der Wissenschaft. Hingegen war er der Begründer der modernen Wissenschaft der Dynamik und zählt somit zu den Männern, die das Geschick der Menschheit formten.“

arthur koestler, in: „the sleepwalkers. a history of man’s changing vision of the universe“ 1959; „die nachtwandler. die entstehungsgeschichte unserer welterkenntnis“, suhrkamp 1980

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