
eingedenk des täglichen sterbens auf dem mittelmeer und einer heuchlerischen internationalen politik: erinnerung an 103 kinder, 269 frauen und 419 männer, die am 24. februar 1942 auf der flucht vor den nazis im schwarzen meer ertrunken sind, nachdem die briten ihnen die einreise nach palästina verweigert, die türken ihr manövrierunfähiges schiff aufs offene meer geschleppt und die sowjets es schließlich mit einem torpedo zum sinken gebracht hatten.
infolge des vorrückens der deutschen truppen in ganz europa und nach osten, gab es 1941 kaum noch fluchtwege für juden. die (umgekehrte) balkanroute war einer. man versuchte über die donau bis nach constanța zu gelangen, um von hier nach palästina zu fliehen. doch die neutrale türkei war bereits von flüchtlingen überflutet und die deutschen, briten und araber machten der türkei druck, keine weiteren aufzunehmen. und schiffe waren rar.
ende 1940 gelang es dem für zionistische organisationen tätigen arzt baruch konfino den 71 jahre alten einstigen luxusdampfer „struma“, der inzwischen ein viehtransporter war, in warna zu kaufen und notdürftig herrichten lassen. als sich bulgarien ein paar monate später mit deutschland verbündete, ließ er den schrotthaufen nach constanța verlegen. hier in rumänien lebten vor dem krieg 900000 juden (die hälfte wurde später ermordet), 781 von ihnen gelang es, ein ticket für die struma zu ergattern, für einen veralteten kahn, der für 150 passagiere ausgelegt war, nur 100 kojen, keine einzige funktionierende toilette und keine rettungsboote hatte. aber man belog die leute, die struma sei nur ein zwischentransportmittel. außerhalb der rumänischen hoheitsgewässer würde man in ein anderes schiff umsteigen…
am 7. dezember 41 fuhr die struma los. die überfahrt nach istanbul sollte 14 stunden dauern. doch das schiff kam erst acht tage später dort an – der motor hatte immer wieder ausgesetzt, der rumpf war undicht, am ende versagte der antrieb vollends und das schiff musste in den hafen geschleppt werden. der kapitän beantragte bei den türkischen behörden, dort bleiben zu dürfen und den seelenverkäufer reparieren zu lassen war. das wurde genehmigt. da sich aber herausstellte, dass keiner der passagiere ein palästina-visum besaß, durfte trotz der katastrophalen zustände an bord niemand das schiff verlassen. der türkische rote halbmond, die jüdische gemeinde in istanbul und der joint versorgten die passagiere notdürftig mit lebensmitteln, während die türkische regierung und die jewish agency mit den briten verhandelten und u.a. argumentierten, dass die im weißbuch vorgesehene quote von 10.000 jährlichen visa noch nicht erreicht war. die briten lehnten ab: die passagiere seien als rumänen feindliche ausländer. auch die idee der türken, das schiff nach rumänen zurückkehren zu lassen, schlug fehl. die rumänen vertraten die ansicht, die passagiere hätten rumänien illegal verlassen und dürften daher nicht zurück. das diplomatische hickhack hinter den kulissen ging zwei monate lang, während es auf dem schiff zu fehlgeburten kam und die ruhr ausbrach. verkompliziert wurde die lage noch durch die kriegserklärung panamas an die deutschen, was die struma, die unter panamesischer flagge unterwegs war, zum potenziellen ziel italienischer und deutscher flieger machte. da keine lösung in aussicht war und der türkische premierminister refik saydam auf die deutschen schielend auch hatte verlauten lassen „die türkei wird unerwünschten menschen keine hilfe leisten“, wurde dem kapitän am 23. februar befohlen, den hafen zu verlassen. konkret sah das so aus, dass polizisten die struma stürmten, die ankerkette absägten, das fahruntüchtige schiff aufs schwarze meer zurückschleppten und es dort seinem schicksal überließen. wer am bospous wohnte, konnte die schilder „rettet uns“ auf englisch und hebräisch sehen, die passagiere über bord gehängt hatten. umsonst. in den morgenstunden des 24. februar 1942 feuerte das sowjetische u-boot shch-213 einen torpedo auf die struma ab (bevor sowjetische quellen bestätigten, dass shch-213, das am tag zuvor schon einen türkischen segler versenkt hatte, die struma torpediert hatte, gab es diverse spekulationen, u.a. behauptete götz aly, sie sei von deutschen versenkt worden, konnte das aber nicht belegen) – hintergrund war ein geheimbefehl stalins, nach dem alle feindlichen und neutralen schiffe im schwarzen meer zu versenken waren, denn das gebiet war eine der wichtigsten versorgungsrouten der achsenmächte.
das schiff sank innerhalb von minuten. etwa 100 flüchtlinge hielten sich in diesem kältesten winter seit jahrzehnten noch eine weile über wasser, bevor auch sie ertranken. nur drei bulgarische besatzungsmitglieder und der 19jährige david stoliar aus bukarest konnten sich an einem wrackteil festklammern. nachdem in den folgenden stunden auch die drei bulgaren im meer versanken, verlor stoliar die letzte hoffnung und versuchte sich mit einem klappmesser die pulsadern aufzuschneiden, doch seine finger waren zu taub, um die klinge zu öffnen. als ihn 24 stunden später ein boot der küstenwache fand, war er der einzige überlebende der 791 menschen an bord. wegen „illegaler einreise“ wurde er noch ins gefängnis gesteckt, bevor er nach 71 tagen die genehmigung zur einreise nach palästina bekam und später in die usa auswanderte. david stoliar, der auch seine verlobte auf der struma verlor, wollte am ende seine lebens nicht mehr über die katastrophe sprechen. sein letztes interview 2014 beendete er mit: „just enjoy life“.
