
adolf glaßbrenner, geboren 27.3.1810
Immer langsam voran! Immer langsam voran,
Daß der deutsche Michel nachkommen kann!…
Der Fortschritt, der nimmt auch gar kein End‘;
‚S ist als ob der liebe Gott die Polizei nicht kennt!
Mein Hintermann, das ist ein Literat,
Der tritt mir bald die Hacken ab!
Für anderthalb Gulden löst‘ ich mir ‚en Paß;
Nun bin ich kein Sitzbube oder sonst so was.
Am Rhein, am Rhein, am freien, deutschen Rhein,
Da soll die Censur ziemlich milde sein.
In Cottbus war neulich eine Revolution;
Da hatten sie einen Sergeanten beim Kragen schon!
Heut sorg‘ ich nicht für’s Völkerwohl,
Sonst wird mir kalt mein Sauerkohl.
Von je ha’n die Fürsten unser Vaterland beglückt;
Wär‘ nur das Volk nicht so sehr gedrückt!
In Grüneberg, da wächst ein herrlicher Wein!
Nur schad‘, er soll ein Bischen sehr sauer sein.
Ich glaub‘ nicht, daß Amerika Republik bleibt,
Weil die Preußische Zeitung dagegen schreibt.
Na, Gottlieb, nur keine Constitution!
Das Unglück sehn wir an Frankreich schon.
Da ist kein Minister den Kammern nicht recht:
Bei uns bleiben sie, sind sie noch so schlecht.
Meinen Schwager, den haß‘ ich seit Jahren schon,
Der bekennt sich zu einer andern Confession!
Kaiser Franz hinterließ dem Kronprinz kein Geld,
Weil der das Geschäft in Händen hält.
In Oestreich, da wählen sie sehr passend die Livrei:
Da ist eine gräuliche Polizei.
Da ist das Leben auch gar nicht genant,
Da lassen sich die Vornehmsten drücken die Hand.
Im Volkstone spricht da Jung und Alt;
Selbst der Metternich und der Kaiser sagen: Halt!
Die Demagogen, die sind nicht recht klug;
Die Festungen sind ja schon voll genug!
Im Ausland laß‘ ich mich bloß Herr titulirn,
Daß sie in mir den Deutschen nicht gleich spürn.
Wenn wir die Steuern nicht mehr zahl’n,
So könn’n wir uns einen König mal’n!
Mein Junge, der muß mir Alles studirn,
Sollt er dabei den Verstand auch verliern!
Es freut mich, daß Allerhöchstihre Majestät,
Der König beim Fortschritt mit uns geht!
Denn wenn ein König uns nicht commandirt,
Dann werden wir nicht gehörig angeführt.
Immer langsam voran! Immer langsam voran,
Daß der Michel beim Fortschritt nachkommen kann!
(adolf glaßbrenner, verbotene lieder, 1844)
