Die erste Bankerin

„madame kaulla“ – heute (18.märz 2019) vor 200 jahren gestorben. karoline bzw. chaile (kaule) bat raphael wird 1739 in buchau/schwaben als ältestes von sechs kindern des hoffaktors isaak raphael und seiner frau rebecca wassermann geboren. der vater lässt seinen tochter von einem hauslehrer unterrichten und führt sie, die brüder sind noch zu klein, früh in das familienunternehmen und seine europaweiten kontakte ein. mit 18 wird sie mit akiba auerbach verheiratet. der besitzt eine pferdehandlung, studiert aber lieber tora und talmud und überlässt die geschäfte seiner frau, die nebenbei noch fünf kinder von ihm bekommt. als ihr vater stirbt, ist sie 21 und übernimmt auch die verantwortung für das elterliche unternehmen. mit erfolg. mit 30 besitzt sie, nun „madame kaulla“, zwei patente als hoffaktorin (ironie der geschichte: damit ist sie auch nachfolgerin von joseph süß opppenheimer, der als „jud süß“ in stuttgart hingerichtet worden war), handelt zunächst mit pferden, stoffen und juwelen und gründet mit ihrem bruder jakob das handelshaus „kaulla und comp“, bevor sie mit „m. & j. kaulla“ („m“ für „madame“) die erste privatbank in stuttgart eröffnet und eine steile karriere als beraterin und kreditgeberin verschiedener fürstenhöfe macht – wohl bemerkt eben nicht als frau oder witwe von xy, sondern als eigenständige persönlichkeit. 

die expansion ihres unternehmens wird durch die französische revolution und die napoleonischen kriege massiv beschleunigt. die kaiserliche reichsarmee brauchte getreide, pferde, waffen, sättel, uniformen und geld – und die global denkende, logistisch brilliant agierende madame kaulla kann liefern. nicht nur an die württemberger, sondern auch an die österreicher (kaiser franz I. wird der kaulla später die große civil-verdienst-medaille an der goldenen ehrenkette verleihen, die auf dem bild zu sehen ist).
kaullas unternehmen wird immer mehr zum globalisierten kredit- und handelshaus, die chefin ist eine der reichsten frauen europas (der neid der christlichen umgebung spiegelt sich auch in der idee zu achim von arnims roman „gräfin dolores“, der es eine posse nannte, dass das handelshaus zu solchem reichtum gekommen sei, während das fürstenhaus hohenzollern verarme; das kredit- und zinsverbot für christliche kaufleute erwähnt er nicht). 
mit hilfe der kaullaschen kredite kann der herzog von württemberg auch an den landständen vorbei regieren, sie finanzieren ihm beispielsweise die kontributionszahlungen an frankreich vor, mit mitteln, die ihm von den landständen nicht bewilligt worden wären.
1802 gründet madame ein eigenes bankhaus und noch im gleichen jahr beschließt herzog friedrich die gründung einer „königlich württembergische hofbank“; die hälfte des gründungskapitals stammt von ihm, die andere hälfte von kaulla (die bank, die nicht nur die königlichen geldgeschäfte abwickelte, sondern u.a. auch darlehen für unternehmensgründungen gewährte, spielte bis ins 20. jh. eine große rolle in süddeutschland; erst 1924 ging sie in die deutsche bank ein).
die bürgerschaft indes sperrt sich weiter gegen die ansiedlung der kaullas in stuttgart. erst als herzog friedrich hier könig von napoleons gnaden wird, erhalten 1806 fünf mitglieder der familie die bürgerliche gleichstellung. madame kaulla zieht ihren heimatort hechingen jedoch weiter vor. hatte sie in ihren früheren jahren bei den vielen handelsreisen immer einen rabbiner und einen schochet dabei, so betätigt sie sich nun auch hier für die gemeinde, sie stiftet ein heim für obdachlose juden, eine bibliothek, eine talmudschule (u.a. war berthold auerbach hier schüler) und unterstützt arme jüdische und christliche familien gleichermaßen. die inschrift auf ihrem grab: „hier liegt geborgen ein seltenes, reines weib. als vorbild ihres stammes wurde sie betrachtet. eine vornehme frau, die nach gerechtigkeit strebte. unter königen erwarb sie sich einen guten namen. an weisheit, an rat war sie bedeutender als jeder mann…“

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