
#MEZ hätten wir nicht den 2023, sondern 1893, und zb. februar auf die uhr geguckt, wäre es 10 uhr in berlin, in münchen aber bereits 10.07 uhr und in stuttgart 10.30 Uhr gewesen. denn bis zum märz 1893 hatte jeder ort in deutschland seine eigene zeit, die sich nach dem lokalen stand der sonne – also dem jeweiligen längengrad – richtete und über die kirchturmuhr angezeigt wurde. lebte man nur an einem ort und verließ den nicht, war das kein problem. aber schon bei einer bahnfahrt gab’s das, was die deutsche bahn heute auch mit einheitlicher zeit schafft: chaos. das deutsche reich erstreckte sich über 17 längengrade, und seine ortszeiten differierten um 67 Minuten. wer z.b. den bodensee einmal umrunden wollte, der musste fünf mal seine uhr umstellen.
mit dem aufkommen der eisenbahn wurde es zwingend notwendig, die zeiten zu normieren. die eisenbahngesellschaften schafften sich am sitz ihrer jeweiligen gesellschaft in den 1880ern fünf lokale eisenbahnzeiten an: münchen, stuttgart, karlsruhe, ludwigshafen und berlin. allerdings galten die nur für den „inneren dienst“, für die bahnangestellten, für deren uhren und fahrpläne; der „äußere dienst“ orientierte sich an den ortszeiten, also an den bahnhofsuhren. man operierte also ständig mit mindestens zwei uhren und zeiten, mindestens, weil: fuhr man von münchen nach berlin, hatte man ja u.u. auch noch mit dem wechsel von bayrischer zu preußischer bahn und zeit zu tun. so hingen in vielen bahnhöfe auch zwei uhren, eine mit der jeweiligen orts- und eine mit der jeweiligen eisenbahnzeit. missverständnisse und probleme gab es trotzdem fortlaufend, besonders bei anschlusszeiten und übergangsstationen. aber auch in anderen bereichen. in den fabriken legten spezielle arbeitsordnungen fest, welche zeit für die angestellten bindend war; meist die jeweilige fabrikuhr. und öffentliche uhren in schulen, gerichten oder an bahnhöfen wurden auch oft immer wieder um zehn minuten vorgestellt, damit die leute dann auch tatsächlich rechtzeitig anwesend waren. aber wer keine taschenuhr besaß war trotzdem aufgeschmissen.
wie bei corona waren die deutschen spät dran und hatten die globale entwicklung verpennt. in anderen europäischen ländern galt bereits seit längerem meist die ortszeit der hauptstadt als landesweite einheitliche zeit, so dass die eisenbahn keine eigene zeit benötigte. die internationale meridiankonferenz in washington hatte schon 1884 greenwich als nullmeridian und die zonenzeit festgelegt. 1891 forderte dann auch generalfeldmarschall von moltke in einer rede vor dem reichstag eine einheitliche deutsche zeit, da er bei fünf zeitzonen die mobilmachung und die truppenbeförderung in gefahr sah.
am 12. märz 1893 war es dann endlich soweit. der deutsche reichstag beschloss mit zustimmung von „wilhelm, von gottes gnaden deutscher kaiser, könig von preußen etc.“ das gesetz nr. 2075 „betreffend die einführung einer einheitlichen zeitbestimmung“. die landesweite umstellung auf die mittlere sonnenzeit des 15. längengrades erfolgte zum 1. april und wurde mit aushängen wie dem auf dem bild bekanntgegeben.
