Der Mann, der das Schiff verpasste

als die titanic am 15. april 1912 untergeht, sind auch isidor und ida straus unter den 1524 todesopfern. nach augenzeugenberichten habe sich das paar zum rettungsboot nr. 8 auf der backbordseite begeben, wo aber nur frauen in die boote gelassen wurden. ida straus habe sich geweigert, ihren mann allein zurückzulassen und auch der hätte abgelehnt, als ihm der für die evakuierung zuständige offizier anbot, eine ausnahme für ihn (honoration, schwerreich, betagt) zu machen. ida straus habe darauf bestanden, dass ihr dienstmädchen ellen bird ihren platz bekomme und diesem noch ihren pelzmantel mit den worten übergeben, sie werde ihn nicht mehr brauchen. man habe das paar, so überlebende aus den rettungsbooten, zuletzt auf liegestühlen an deck sitzen sehen…
die legende will, dass auch isidors bruder nathan und dessen frau lina hätten mit der titanic fahren sollen. beide paare sollen zusammen in eretz israel gewesen seien, dem sie zuvor bereits millionen gespendet hatten, und isidor hätte genug gehabt von den vielen kamelen und hütten und der armut. anders als nathan, der dort weiter helfen wollte, sei isidor mit seiner frau allein nach europa zurückgefahren. dort habe er tickets für alle vier auf der titanic gebucht und nathan nach palästina gekabelt, er solle sofort losfahren. doch als nathan am 12. april in london angekommen sei, habe das schiff den hafen von southampton mit isidor und ida straus an bord bereits verlassen…
die geschichte stimmt wahrscheinlich nicht ganz, was den konkurrenzlosen philanthropischen aktivitäten von nathan straus (1848–1931) keinen abbruch tut. 
isodor und nathan straus stammten aus ottersberg bei kaiserslautern und waren mit ihren eltern in den 1850ern in die usa ausgewandert. sie verkauften geschirr und wurden teilhaber u.a. des kaufhauses macy’s in new york (ihr dritter bruder, oscar, wurde der erste jude in einem amerikanischen kabinett und minister für handel und arbeit). isidor saß für die demokraten im repräsentantenhaus und war mitgründer des american jewish committee. nathan straus engagierte sich für die verbesserung der gesundheitsversorgung und nutzte seinen reichtum und seine politischen einfluss als präsident des new york board of health, um programme u.a. gegen kinderkrankheiten und tuberkulose zu finanzieren und er eröffnete die erste subventionierte arbeiter-cafeteria und ein alternatives hotels in lakewood, new jersey, als gäste von hotels abgelehnt wurden, weil sie juden waren.
nathans engagement für eine jüdische heimstatt in palästina begann bereits spätestens 1904, als er mit seiner frau zum ersten mal dort hin reiste und von da an große projekte im bereich gesundheit, bildung und armenversorgung finanzierte. in den usa hatte er seit anfang der 1880er jahre gegen den heftigen widerstand von milchbauern und politikern enorm viel energie und geld in die verbreitung der pasteurisierung von milch gesteckt, was vermutlich zehntausende menschenleben gerettet hat und zum vorbild für die westliche welt wurde. solche gesundheitszentren und milchverteilungsstationen ließ er nun auch in israel einrichten, und ermöglichte dem hadassah-krankenhaus, pasteurisierte milch über ein programm namens tipat halav zu verteilen (nathan straus war eng befreundet mit henrietta szold, der gründerin des hadassah und spendete ihm große summen).
ob nathan und lina tatsächlich mit isidor und ida an bord der titanic in die usa zurückkehren sollten, ist fraglich. nathan und lina waren im februar zusammen mit dem gründer der hebräischen universität, yehuda magnes, nach palästina gesegelt. im april sollte nathan die usa bei einem internationalen tuberkulose-kongress in rom vertreten. die denver post schreibt am 18. april 1912, dass nathan straus sich (nicht wie oben steht in london, sondern nach wie vor) in rom befinde und zusammengebrochen sei, als er erfahren habe, dass sein bruder und seine schwägerin unter den vermissten der titanic seien und sein zustand sei besorgniserregend. wie auch immer. nathan straus erholte sich körperlich, und spendete nach dem tod seines bruders – den er als fingerzeig verstanden habe – zwei drittel seines vermögens dem zionistischen kolonisierungsprojekt und der schaffung einer neuen stadt. deren gründer haben sie nach ihm benannt: nathania (nethanya)

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