
am frühen morgen des 14. april 1561, die sonne geht gerade auf, bekommen die bürger von nürnberg eine art luftkrieg zwischen mehrgliedrigen kugeln und zylindrischen objekten am himmel zu sehen – ein spektakel, dass der briefmaler und drucker hans glaser fünf jahre danach auf diesem handkolorierten flugblatt festhält – „ein vngewonlich gesicht / an der sonnen erschinen“, das von „vielen manns und weybspersonen“ gesehen worden…
den ufologen dient das flugblatt immer wieder als beleg für angebliche frühe besuche von außerirdischen. einige ernsthafte wissenschaftler, die sich mit dem blatt befasst haben, wundern sich beispielsweise darüber, dass in glasers holzschnitt die berühmte kaiserburg fehlt, obwohl sie damals das wahrzeichen nürnbergs war und dass er dafür die brennende kirche st. leonhard abgebildet hat, obwohl die bereits 1508 abgebrannt war und erst 1565 wieder aufgebaut wurde. möglicherweise hat der holzschneider also verschiedene ereignisse und zeiten „verquirlt“ und war auch nicht selber augenzeuge der phänomene, die er beschreibt und mit einer schlacht zwischen zwei „himmelsheeren“ aufpeppt (siehe text unten), die hier nicht wie die alten apokalyptischen reiter zu pferde kämpfen, sondern mit „fliegenden rohren“.
andere historiker weisen daraufhin, dass man flublätter mit himmelspektakeln (von denen es im 15. und 16. jahrhundert etliche gab) nicht wörtlich nehmen darf (eher wie eine art bild-zeitung des mittelalters). denn die meisten wurden von der kirche in auftrag gegeben, und sollte deren propaganda und mahnungen zu umkehr und gehorsam verbreiten; auch in diesem fall ging es wohl darum, die „göttliche“ warnung, nicht vom rechten glauben abzufallen, unters volk zu bringen.
dennoch hat glaser sehr wahrscheinlich ein reales phänomen (mit)dargestellt. die meteorologen vermuten, dass es sich um eine morgendliche halo-erscheinung mit mehreren nebensonnen gehandelt hat, also um effekte der atmosphärischen optik, die durch reflexion und brechung von licht an eiskristallen entstehen.
das wertvolle flugblatt wird in der zentralbibliothek zürich aufbewahrt. der text (übersetzt ins heutige deutsch):
Im Jahre 1561, am 14. April gegen Morgen, zwischen Tagesanbruch und darauf (so morgens zwischen vier und fünf auf der kleinen Uhr), ist an der Sonne, gerade als sie aufging, ein gar schreckliches Gesicht erschienen und zu Nürnberg in der Stadt, vor dem Tor und auf dem Land von vielen Männern und Frauen gesehen worden. Zuerst erschienen mit der Sonne zwei blutrote, halbrunde Striche dahinter, bogenförmig und wie der abnehmende Mond, oben wie unten durch die Sonne schimmernd und auf jeder Seite blutfarben. Ringsherum um die Sonne waren zahlreiche, teils bläuliche oder eisenfarbene, wie auch schwarze, runde Kugeln zu sehen. Weitere von ihnen waren blutrot und zu beiden Seiten der Sonne ringförmig positioniert. Wieder andere erschienen in Dreierreihen, weitere waren in Quadraten angeordnet. Zwischen Letzteren waren blutrote Kreuze zu sehen. Und zwischen all diesen Kugeln und Kreuzen waren blutrote Striemen im Hintergrund zu erkennen. In dieses Bild mischten sich auch geschmeidige, hohle Rohre. Auch waren da drei große Rohre, eines zur linken Hand, eines zur Rechten stehend und ein drittes über dem Ganzen. Und in diesen Rohren waren vier oder mehr Kugeln zu sehen. Dies alles hat angefangen, miteinander zu streiten: Die Kugeln seien zunächst in die Sonne hinein geflogen, dann wieder heraus und gegeneinander geprallt, bald hätten auch die großen Rohre begonnen, Kugeln abzufeuern und einander zu beschießen. Gut eine Stunde lang habe Alles miteinander heftigst gestritten und gekämpft, sei dabei vor der Sonne auf- und niedergestiegen und habe sich bis zur Erschöpfung abgemüht. Schließlich seien – wie berichtet wurde – alle Objekte langsam vom Himmel herab auf die Erde gesunken, als wollten sie alles in Brand setzen und schließlich seien sie mit viel Dampf zu Boden gegangen und hätten sich aufgelöst. Nach diesem Schauspiel sei am Himmel ein gleichförmiger, großer und dicker schwarzer Speer, mit Schaft Richtung Osten und Spitze Richtung Westen, gesehen worden. Was aber solche Zeichen bedeuten weiß allein Gott. Da wir aber kurz aufeinander so viele und verschiedene Zeichen am Himmel haben, die der allmächtige Gott – als wollte er uns ob unseres sündigen Lebens zu Buße reizen und locken – erscheinen lässt, so sind wir leider so undankbar, dass wir solche Zeichen und Wunderwerke Gottes verachten, spöttisch darüber reden und in den Wind schlagen. Zu befürchten steht, dass Gott uns unserer Undankbarkeit willen eine schreckliche Strafe schicken wird. Jedoch werden die Gottesfürchtigen ihn keineswegs verachten, sondern all jene treuherzig die Warnung ihres gnädigen Vaters im Himmel beherzigen, ihr Leben bessern und Gott treulich dienen, damit dieser seinen billigen Zorn samt der wohlverdienten Strafe von uns abwenden möge. Damit wir als seine Kinder hier zeitlich, dort ewiglich leben mögen.
Dazu möge uns allen Gott helfen. Amen.
Von Hans Glaser, Briefmaler zu Nürnberg.
