Physiker mit Rückgrat

am 17.april 1933 legt der nobelpreisträger für physik, james franck, mit schreiben an den rektor der uni göttingen und das zuständige ministerium als erster deutscher akademiker sein amt als professor nieder. aus „innerer notwendigkeit“ – er wolle nicht einem staat dienen, der deutsche juden wie „fremde und feinde des vaterlandes“ behandele. zehn tage zuvor hatten die neuen machthaber mit dem „gesetz zur wiederherstellung des berufsbeamtentums” die entfernung von juden und „politisch unzuverlässigen” wissenschaftlern aus dem universitätsbetrieb angeordnet. der jude franck war als frontkämpfer und träger des eisernen kreuzes von dem gesetz zwar (noch) ausgenommen, lehnte jede vergünstigung jedoch ab und hoffte, andere kollegen würden sich ihm anschließen. stattdessen erschien eine woche später im göttinger tageblatt eine von 42 professoren unterzeichnete erklärung, in der francks vorgeworfen wird, sabotage zu betreiben und die „arbeit unserer regierung der nationalen erhebung” zu erschweren…james franck wurde 1882 in hamburg als sohn des bankiers jakob franck und der rabbinertochter rebecka nachum-drucker geboren (er selbst war seinem jüdischen erbe zwar verbunden, sein gott aber, so franck später, sei die wissenschaft und seine religion die natur).
mit 14 sorgt er für das erste in hamburg aufgenommene röntgenbild. er hatte sich den arm gebrochen und war zum physikalischen eichamt in hamburg marschiert, weil er von den neuen x-strahlen und der gerade eingetroffenen röntgenapparatur gehört hatte und sehen wollte, ob seine knochen wieder richtig zusammengewachsen seien. man tat ihm den gefallen.
james franck schaffte mit ach und krach das abitur und ließ sich von seinen vater, der ihn gern als nachfolger im familienunternehmen gesehen hätte, nach heidelberg geschickt, um jura und wirtschaft zu studieren. franck wechselte aber bald zu chemie und geologie und anschließend nach berlin, um bei emil warburg und paul drude physik zu studieren. mit 29 war er bereits professor und begann mit gustav hertz auf dem gebiete der quantenmechanik zu forschen (lise meitner erinnert sich später an einen vortrag francks über seine arbeit in berlin, nach dem einstein zu ihr gesagt habe: „es ist so schön, es bringt dich zum weinen!“).
ab 1921 war franck professor für experimentalphysik in göttingen und sorgte zusammen mit max born dafür, dass die uni physiker aus aller welt anzog. ehrlich gesagt verstehe ich kein wort von dem, was die da getrieben haben. auf alle fälle haben franck und hertz mit ihrer arbeit das bohrsche atommodell und die quantentheorie bestätigt und 1925 den nobelpreis dafür bekommen.
1933 war james franck einer der renommiertesten physiker deutschlands und hatte auch nicht vor, das land zu verlassen. die reaktion der kollegen und die schnelligkeit der „machtübernahme“ auf allen gebieten ließ ihm keine wahl. im herbst 1933 verließ franck göttingen und deutschland. er war dann an der johns hopkins universität, am bohr-institut in kopenhagen und zuletzt an der universität chicago, er arbeitet im krieg an der plutoniumgewinnung mit und forschte nach dem krieg vor allem auf dem gebiet der photosynthese.
james franck war nicht nur ein talentierter wissenschaftler, sondern sein ganzes leben lang mit einem bewundernswert funktionierenden moralischen kompass ausgestattet.
im juni 1945 versucht er die usa davon abzubringen, ihre erste atombombe gegen japan einzusetzen. er legte seine moralischen bedenken in dem nach ihm benannten franck-report dar und plädierte stattdessen für eine öffentliche demonstration vor vertretern der vereinten nationen auf unbewohntem gebiet (er hatte gehofft, das würde ausreichen, japan zur kapitulation zu bringen). bereits 1943 hatte er sich besorgt über den einfluss der militärs auf das manhattan-projekt geäußert und eine staatliche kontrolle der wissenschaft befürchtet, wie er sie in deutschland erlebt hatte. und anfang 1945 hatte er persönlich an henry wallace, den handelsminister, appelliert: „sie müssen sich sorgen machen, dass die menschheit gelernt hat, atomkraft freizusetzen, ohne ethisch und politisch darauf vorbereitet zu sein, sie mit bedacht einzusetzen.“ wie wir wissen, fruchteten die appelle nicht. james franck setzte sein engagement dennoch fort und spielte eine wichtige rolle im kampf gegen das wettrüsten und um die zivile kontrolle der kernenergie.
francks besonderer charakter zeigte sich auch in seiner haltung gegenüber deutschland und den deutschen. trotz des nazi-terrors ließ er nach dem krieg seine persönlichen und wissenschaftlichen beziehungen hier wieder aufleben (genauso konsequent erklärte er 1951 aus protest gegen deren glückwunsch-telegramm an stalin seinen austritt aus der akademie der wissenschaften der ddr), und ironie des schicksals: er starb 1964 bei einem besuch ausgerechnet dort, von wo man ihn verjagt hatte, in göttingen. lise meitner in ihrer traueranzeige: „er war der liebenswerteste mann, weil er menschen liebte“.

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