Boule oder geschlossene Füße


das Boule-spiel läßt sich bis mindestens 460 v.u.z. zurückverfolgen. da hat der arzt hippokrates von kos ein mit steinkugeln gespieltes spiel empfohlen, und im 2. jh. u.z., war es der grieche lulius pollux, der ein spiel beschrieb, bei dem zwei spieler einen ziegelstein mit steinkugeln treffen und der verlierer den sieger auf den schultern ins ziel tragen musste (vielleicht das der hintergedanke des geschenks). die römer verwendeten statt runder steine mit eisen beschlagene holzkugeln. und es ist ziemlich unstrittig, dass boule, bowls, boccia usw. hier ihre wurzeln haben.
nach den einfällen der barbaren geriet das spiel erstmal in vergessenheit und lässt sich erst im mittelalter wieder nachweisen, vor allem dank der erlassenen verbote: 1319 untersagte philipp V. das boulespiel. 1369 war es karl V. (weil er die staatssicherheit gefährdet sah, wenn seine untertanen boulten, statt bogenschießen zu üben), dann der erzbischof von tournay und 1629 das französische parlament, das argumentierte, boule verführe zu lasterhaften ausschweifungen und sei ursache sonstiger unverschämtheiten (aber eigentlich wollte es stattdessen das federballspielen pushen, weil es von den herstellern der schläger geschmiert worden war). 1697 verbot die pariser diözesansynode ihren geistlichen das spiel in der öffentlichkeit oder im beisein von weltlichen. trotzdem wurde vor allem in klöstern und von soldaten weiter boule gespielt. 
und es gab auch prominente befürworter. papst julius II. sammelte im 16. jh. die besten spieler im staat um sich, um seiner Spielleidenschaft zu frönen und der berühmte arzt und humanist françois rabelais an der universität montpellier schrieb zur selben zeit: „es gibt keinen rheumatismus oder andere ähnliche leiden, die nicht durch dieses spiel vereitelt werden können, es ist für jede altersstufe geeignet…“ (nee, finde ich nicht!). schließlich ist es auch mordsgefährlich. 1792 starben nämlich 38 mann bei einer boulepartie in marseille; sie hatten in einem kloster, in dem pulverfässer gelagert wurden, boule mit kanonenkugeln gespielt.
trotzden wurde boule immer beliebter und allmählich bildeten sich regionale varianten heraus wie jeu provencal, boule lyonnaise, boccia usw. in frankreich beschlug man die holzkugeln mit nägeln, in italien färbte man sie bunt ein und spielte auf präparierten bahnen statt irgendwo auf der straße oder im sand. die historisch jüngste und erfolgreichste variante ist „pétanque“ („geschlossene füße“), meist synonym mit „boule“ verwendet, dessen regeln erst 1910 von einem mitleidigen franzosen erdacht wurden, der nicht mehr mitansehen konnte, dass sein freund keine anlaufschritte mehr machen konnte und betrübt am spielfeldrand saß, weil er rheuma bekomme hatte. er erfand also eine variante mit kurzer distanz und ohne anlauf, wo die kugel im stehen oder hocken aus einem kreis heraus geworfen wird.
1928 dachte sich jean blanc, ein arbeitsloser metallarbeiter aus der nähe von lyon, dann noch die heute gebräuchlichen hohlen stahlkugel aus (ja, genau die, die jetzt bei mir rumrollen). nach deutschland ist boule aber wohl erst nach dem zweiten weltkrieg so richtig übergeschwappt. 
was mir gefällt, ist das „schweinchen“ (oder die „sau“), das man mit der boulekugel treffen soll. was die kleine holzkugel mit einem schwein zu tun hat, musste ich auch erst nachgucken: eigentlich ganz simpel, die zielkugeln wurden ursprünglich aus schweinsknochen hergestellt und im französischen „cochonnet“ (ferkel) genannt. wenn ich die dinger demnächst an irgendein anderes opfer weiter verschenke, behalte ich das rote schweinchen natürlich

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