Das Rennpferd des kleinen Mannes

brieftauben. früher waren sie die einzige möglichkeit, nachrichten schneller als durch boten zu übermitteln (und unauffällig am feind vorbei, vorausgesetzt, man hatte sie zuvor hinter die frontlinie oder grenze gebracht, von wo sie dann mit ihrer botschaft nach hause fliegen konnten). 
wie die tauben zu ihrem nistplatz zurückfinden, ist immer noch nicht ganz klar. möglicherweise nutzen sie neben landmarken zur orientierung den stand der sonne und sterne und das magnetfeld der erde als kompass, ihr magnetsinn sitzt wahrscheinlich im innenohr. 
dass sie so außergewöhnliche sinnesorgane haben und sehr weit fliegen können, wusste man schon in mesopotamien. die sumerer domestizierten als erste tauben und gaben sie ihren boten mit. die ließen sie bei feindlichen angriffen frei, so dass die vögel nach hause fliegen konnten und der herrscher schnell informiert war. ähnlich im alten ägypten, wo man tauben freiließ, damit sie die krönung von pharaonen „mitteilten“.
im antiken griechenland (aristoteles hat die taubenzucht als einer der ersten beschrieben) schickten olympiasieger tauben, denen sie ihr zielband an den fuß gebunden hatten, zur heimatgemeinde zurück, die dann schon mal mit der party beginnen konnte, bevor der sportler überhaupt den heimweg antrat. auch im römischen reich waren zeitweise bis zu 5000 tauben für die caesaren im einsatz. nach dem zerfall des reiches verschwand die taubenpost und kam erst mit den kreuzrittern wieder nach europa. die setzte sie gegen die türken ein und schickten botschaften mit ihnen in ihre heimatorte. 
saladin hatte eine taubenpost (die kairo mit damaskus verband), dschingis khan hatte eine, die republik von genua hatte eine (noch heute sind einige ihrer taubentürme längs des mittelmeers zu sehen), wilhelm von oranjen setzte sie im 80jährigen krieg ein. und im deutsch-französischen krieg waren sie (und ballons) die verbindung zwischen paris und dem unbesetzten frankreich. man schrieb die nachrichten zwar schon auf hauchdünnes seidenpapier, aber viel tragen konnte ein taube dennoch nicht. nachdem der fotograf rené dagron auf die idee gekommen war, mitteilungen gesammelt in buchdruck zu setzen und mikrofotografisch auf gallerthäutchen zu übertragen, die am zielort wieder vergrößert und abgeschrieben wurden, konnte eine einzige taube dann aber bis zu 40000 kurzmitteilungen auf einmal transportieren.
mit der industrialisierung wurde informationsvorsprung auch im zivilen bereich immer wichtiger. kaufleute, banker und handelsblätter schafften sich brieftauben an. nathan mayer rothschild erfuhr dank ihrer noch vor dem britischen premierminister vom ausgang der schlacht bei waterloo. und julius reuter schickte 1850 so erfolgreich börsenmeldungen zwischen brüssel und aachen hin und her, dass er ein jahr später in london die nachrichtenagentur „reuters“ gründen konnte. 
wenig später entdeckte das „gemeine volk“ die brieftaube als „rennpferd des kleinen mannes“ für sich, vor allem in belgien, den niederlanden und im ruhrgebiet mit seinen damals meist aus ländlichen gebieten im heutigen polen stammenden bergleuten und zig vereinen, die bald natürlich auch eigene zeitungen hatten wie „die brieftaube – central-organ des verbandes deutscher brieftauben-liebhaber-vereine“.
zum letzten mal im großen stil eingesetzt wurden brieftauben in den weltkriegen. im ersten waren es bis zu 100000 tauben, die nachrichten und kleine röhrchen mit fotos transportierten, im zweiten unterhielten allein die briten 250000 tauben. die erfolgsquote der vögel bei der nachrichtenübermittlung lag bei 95% (juden durften seit 1938 keine tauben mehr halten/nutzen, und die deutschen setzten dressierte falken ein, die den tauben der alliierten den garaus machen sollten). die us-täuberiche „cher ami“ und „g.i. joe“ bekamen sogar einen helden-orden und öffentliche jubelfeiern, weil sie trotz verletzung wichtige nachrichten bis zum empfänger gebracht hatten, der eine vor verdun, der anderen in italien. 
nach dem krieg wurden in österreich brieftauben gehalten, die bis 1974 bei alpinunfällen oder lawinenabgängen zum einsatz kamen. die schweizer armee hatte so etwas sogar bis 1996, aber da dürfen frauen ja auch erst seit ein paar jahren wählen. ansonsten ist die brieftaubenzucht heute zu 99% ein hobbysport (die weiteste gemessene flugstrecke bei einem wettbewerb liegt derzeit bei 1800 km.) vereinzelt sind sie aber auch noch „dienstlich“ unterwegs, zb. an der holländischen grenze als drogenkuriere und in london, um die luftverschmutzung zu messen. und ich hab jetzt ein bisschen mehr respekt vor den kackviechern.

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