
Falsch Abfahren wird manchmal belohnt: »Scholem alechem und borech habo, kan in der kal medine bzw. »Grüß Gott und willkommen, hier in Schopfloch«… In diesem fränkischen Kaff benutzen die Bewohner bis heute Hebräismen ihrer einstigen jüdischen Nachbarn in der Umgangssprache. Sie nennen das Lachoudisch (von »leschon hakodesch« – heilige Sprache) – eine Mischung aus Hebräisch, Rotwelsch und eigenen Wortschöpfungen (jiddisch-slawische Begriffe sind hingegen selten, wie Nozniken – Nachtopf).
Wenn jemand hier sagt: »Am schomamajem nefiches joum halchen ani ins jaroke«, bedeutet das: »Am Himmelfahrtstag geh ich ins Grüne«. Juden sind in Sch. seit dem 14. Jhdt nachweisbar – bis 1938. Die meisten waren Viehhändler. 1925 waren ein Drittel von 1500 Einwohnern Juden. Wie konnte sich so eine winzige Sprachinsel bilden und über so lange Zeit erhalten? Sch. war die einzige Viehhändlersiedlung weit und breit und der einzige Ort in der Nähe, in dem Juden lebten. Ihre christlichen Mittelsmänner, die »Schmuser«, die am Schabbat für sie die Geschäfte führten, übernahmen mehr und mehr Begriffe von ihnen und unterhielten sich in diesem Mix auch untereinander, wenn andere nichts verstehen sollten. Die meisten (christlichen) Schopflocher waren Maurer und Steinmetze und arbeiteten außerhalb, zB. in Nürnberg. Dort blieben sie unter sich, saßen auch im Wirtshaus zusammen und sprachen ihr Idiom, das kein Fremder verstand. Zudem war der Ort früher eine einsame SPD-Hochburg (hier wurde 1904 der erste SPD-Bürgermeister Bayerns gewählt), hat nicht für Hitler gestimmt und war evangelisch, während die Nachbarorte katholisch waren. Da hat man nicht hin geheiratet, und so blieb man auch mit der Sprache unter sich.
Dass von Juden benutzte Worte über Kontakte mit Händlern, Metzgern usw. in den allgemeinen Sprachgebrauch eingehen, gibt es auch in anderen ländlichen Gegenden, jedoch kaum irgendwo derart konzentriert. In Schopfloch wird lachoudisch gezählt: echod, bejs, gimel, dolet, jej, fouf, sojn, kess, tess, jus; die Monate hießen Adar, Kislev, Elulli usw.; die Wochentage Joum Alef, Joum Bejs, Joum Gimml etc., die Farben sind adom, jarok, kachol, chum, schachor oder zahov. Ca. 200 Wörter sind immer noch im Gebrauch. Die örtliche Fastnachtsgesellschaft heißt bis heute »Medine«. Und wenn ein Bewohner nach Hause zurückkehrt, so kommt er eben nicht nach Schopfloch, sondern in die »Medine«, die hier – wie im Hebräischen und Jiddischen – die Bedeutung von Heimat, Gegend, Ort, Land hat. Doch wenn jemand nach Amerika fährt, dann wiederum nicht in eine »Medina«, sondern »übers Jomm«, »übers Meer«… Dank an den Stammtisch Schopfloch und den netten Menschen, der den Friedhof aufgeschlossen hat!
