Juden in Albanien

heute gibt es nur noch eine handvoll juden in albanien (und seit 2010 den unvermeidlichen chabad-schaliach, der versucht die verstreuten schäfchen zusammenzutreiben). dabei sind juden schon mit den römern nach albanien gekommen. in sarande sind noch ruinen einer synagoge aus dem 5. jh.v.u.z. zu sehen. später kamen juden aus spanien, korfu und neapel als händler vor allem in die hafenstädte, und nach vlore und berat, wo es jeweils auch eine judenstraße (rruga e hebrenjve bzw rruga hebrej) gibt. manche juden konvertierten irgendwann zum islam.

der bekannteste jude in albanien aber war zweifellos schabbtai zwi, der falsche messias, der 1676 in ulcinj, fterra oder hier in berat starb, wo viele seiner anhänger lebten. geboren 1626 in smyrna (izmir), soll er während der chmelnizki-pogrome 1648, als juden in osteuropa zu hunderttausenden umgebracht wurden, eine vision gehabt haben – nämlich, dass er der erlöser sei. er wurde aus der jüdischen gemeinde ausgeschlossen, ging nach saloniki, wurde dort ausgewiesen, dann nach konstantinopel, wieder ausgewiesen, und 1662 über smyra und kairo nach jerusalem. 1665 wollte er sich von einem kabbalisten in gaza eine geistliche unterweisung geben lassen, der aber soll ihm gesagt haben, die brauche er nicht, weil er ja der messias sei. das ließ der sich nicht zweimal sagen, ernannte zwölf mitglieder der gemeinde von gaza zu repräsentanten der zwölf stämme israels und ließ sich in smyrna zum messias proklamieren und könig nennen. die sabbatianer waren gegründet, und die sekte wuchs schnell. angesteckt von den ideen abraham jakhinis, der die endzeit nicht mit fasten und beten herbeizwingen wollte, sondern mit kultischen gruppenorgien und der bewußten brechung aller sittengesetze (wenn der messias gekommen ist, gibt es ja keine sünde, also auch keine ge- und verbote mehr), wechselte auch schabbtai zwi das lager, heiratete eine aus polen stammende sarah, die vorher schon von sich behauptet hatte, sie würde den künftigen messias ehelichen (und vermutlich prostituierte war), brach alle tabus, sprach unter anderem den vollen gottesnamen aus, verteilte land, setzte untergeordnete könige ein, rief frauen zum lesen der tora auf und strich alle trauertage. gershom scholem beschreibt ihn als höchst eindrucksvolle, charismatische, zwischen exaltiertheit und mystischer verzückung schwankende persönlichkeit und großen talmudkenner, der schon als jugendlicher den ehrentitel „chacham“ erhalten haben soll…
die frohe botschaft vom ankommen des messias verbreitete sich in schillernden farben ausgeschmückt wie ein lauffeuer auch in ganz europa, und wurde von den juden, die u.a. unter dem dreißigjährigen krieg und den kosakenaufständen zu leiden hatten, hoffnungsfroh aufgenommen. der messianische taumel erfasste alle gemeinden (bei glikl von hameln ist darüber zu lesen, wie hamburger juden ihr hab und gut verkauften, weil sie ja demnächst erlöst würden oder vorräte mit trockenproviant anhäuften, um jederzeit seinem ruf folgen und nach jerusalem aufbrechen zu können). der messias reiste mit seinen jüngern indes nach jerusalem, wie es sich für eine messias gehört, doch die rabbinische konkurrenz dort belegte ihn mit dem bann. messias also zurück nach smyrna und von da nach konstantinopel. der türkische sultan mehemed IV war allerdings wenig begeistert und ließ ihn einsperren, immerhin durfte er gesandte empfangen und audienzen erteilen. 1666 stellte das türkische gericht ihn vor die entscheidung, entweder zum islam konvertieren oder als märtyrer sterben (bzw. würde ihn der pfeil des bogenschützen nicht töten, sei er halt der messias). der messias konvertierte lieber, hieß nun mehemet effendi, trug turban und war frei. 1672 wurde er aber doch wieder verhaftet, weil er vom islam abgefallen sei und endgültig verbannt, diesmal nach albanien (viele seiner jünger hielten aber zu ihm, zeitweise gab es mehrere hunderttausende sabbatianer, unter dem namen „dönmehs“ soll es bis heute einige krypto-sabbatianer auf dem balkan geben). das europäische judentum litt noch viele jahre später unter den schwärmer-bewegungen und folgen der mystischen euphorie. 

1930 lebten laut volkszählung jedenfalls noch 204 juden in albanien. „besa“, der albanische code für gastrecht und respekt aus dem kanun mag der grund sein, warum die albaner im 2. weltkrieg ihr leben für ihre jüdischen nachbarn und die über 1000 jüdischen flüchtlinge aus anderen ländern riskierten, sie versteckten, die aushändigung von listen verweigerten und dafür sorgten, dass (bis auf eine familie arditis) kein einziger jude deportiert wurde. in yad vashem wurden bisher 70 mehrheitlich muslimische albaner dafür als „gerechte unter den völkern“ geehrt. (albanien war unter seinem autokratischen könig zogu I. dem faschistischen italien nah, wurde 1939 von den italiern und 1943, nach mussolinis sturz, von den deutschen besetzt. national, konservativ und kommunistisch gesonnene albaner – die „balli kombëtar“, die „lëvizja e legaliteti“ und die „nationale befreiungsfront“ – bildeten untergrundgruppen und lieferten sich einen zähen kampf mit den besatzern. um die bevölkerung davon abzuhalten, die partisanen zu unterstützen, führte die wehrmacht eine „sühnequote“ ein – für jeden getöteten deutschen sollten 100 albaner sterben. aber vor allem jugendliche, auch junge frauen, füllten die reihen der kämpfer immer wieder neu auf. auch ein großteil der zivilen bevölkerung sabotierte oder boykottierte über alle konfessionen hinweg die besatzer, u.a. in dem juden und oppositionelle versteckt und partisanen mit lebensmitteln versorgt wurden. 1943 schlossen sich die unterschiedlichen partisaneneinheiten zur „nationalen befreiungsarmee“ zusammen, die mit reservisten insgesamt etwa 30.000 leute umfasste. ungefähr genauso viele albaner starben im krieg; das land hatte damals nur etwas über eine million einwohner. mitte november 1944 nahm die partisanenarmee tirana ein, ende november sah sich die wehrmacht zum endgültigen rückzug gezwungen und das land war frei. bis kurz darauf der enver-hodscha-kommunismus die nächste tragödie einläutete.

Veröffentlicht in Orte

Hinterlasse einen Kommentar