Kaschubenjuden

um gdańsk herum, zwischen den historischen provinzen pommern und westpreußen, liegt die kaschubische schweiz, eine seen-, wälder-, und hügeldurchzogene landschaft, in der über jahrhunderte deutsche, polen und juden zusammen lebten. daran erinnert zb. ein ort namens palestyna und ein kaschubisches sprichwort: »w biedzie zid le je dobri« (»in der not ist nur ein jude gut«). 

die siedlungsgeschichte ist überall in der region ähnlich: erste ansiedlungen im 15. jh., sukzessive steigerung der einwohnerzahlen nach der staatsbürgerlichen gleichstellung in preußen 1812 (in schlochau beispielsweise betrug der jüdische anteil an der bevölkerung zeitweise 35 %), zuwanderung aus dem osten nach der russischen revolution, abwanderung und auflösungserscheinungen nach der angliederung an den neuen polnischen staat 1920 (danach wurden synagogen oft verkauft), weitere abwanderungsversuche in der ns-zeit, novemberpogrome, deportation (u.a. in das nahe kz stutthof).
die hiesigen juden sprachen mehrheitlich deutsch (wie henriette rieß, mit 103 Jahren war sie 1909 die älteste frau pommerns), die hausierer und handwerker unter ihnen aber oft auch kaschubisch, polnisch oder jiddisch. die vielen kaufleute (getreide, bier, milchprodukte, wodka, holz) schickten ihre kinder, um ihnen eine weltliche bildung zu verschaffen, oft in christliche schulen (mit der übernahme durch den polnischen staat wurde die ehemals evangelische gegend katholisch), und sie wählten deutschnational. viele waren dem reformjudentum zugetan, in słupsk z.B. gab es eine orgel und schon nach 1900 wurde hier die bat mizwa eingeführt, und zb. aus puck gibt es meldungen wie diese: »die hiesigen juden halten sich nicht an die koscheren speisevorschriften…«.
die jüdische bevölkerung passte sich an, engagierte sich in vereinen für kaschubische volkskunde, war loyal gegenüber der jeweiligen macht oder spendete die dekoration für die örtlichen prozessionszüge ihrer christlichen nachbarn. zeitzeugen berichten über »die großartigsten traubentörtchen«, die ihre jüdischen nachbarn buken, über eine jüdische schinkenräucherei (!), später über brennende synagogen, arbeitslager in den kaschubischen wäldern und verstecke auf dachböden. die titelfigur der ns-propagandaausstellung »entartete kunst« stammte von einem słupsker juden namens otto freundlich. 
insgesamt zählt man in der kaschubei elf zerstörte synagogen und elf zerstörte friedhöfe. nur eine synagoge und zwei friedhöfe sind erhalten. zum einen der kleine eingezäunte, gepflegte friedhof in sopot und der zwei hektar große in gdańsk-chełm (ehemals stolzenburg), den es schon seit mindestens 1694 gab und von dem etwa 100 grabsteine erhalten sind, die anderen wurden als baumaterial verwendet. und die synagoge in wrzeszcz (langfuhr) – sie musste anfang 1939 verkauft werden, um die emigration von juden aus danzig zu finanzieren, ist aber jetzt wieder in besitz der mini-gemeinde, die es seit ein paar jahren gibt (sie hat aber mit der historischen nichts zu tun hat; besteht aus leuten, die es, wie meine mutter erst nach dem krieg aus anderen gebieten polens hierher verschlagen hat). die imposante große danziger synagoge war schon im mai 1939 abgebrochen worden. am bauzaun stand damals prosaisch: »komm lieber mai und mache von juden uns jetzt frei«.

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