
…oder „wenn tutanchamun dran ist und du lieber spielen magst“. als howard carter „kv62“ entdeckte, die grabanlage von tutanchamun – und mit ihr nie zuvor gesehene und unglaubliche mengen kostbarer grabbeigaben, insgesamt 3200 Objekte, waren auch eher unspektakuläre, aber irgendwie anrührenden dinge dabei, die man dem 18jährigen pharao mit auf die reise gegeben hatte. so auch der kleine holzkreisel auf dem ersten bild…
kreisel gehören zu den ältesten spielzeugen, die archäologen bislang ausgegraben haben – aus allen kulturen und materialien, aus früchten, nüssen, samen, bambus, holz, stein, keramik, knochen, muscheln oder metall. rekordhalter ist ein über 5500 jahre alter kreisel aus dem heutigen irak, gefolgt von exemplaren aus der türkei, ägypten, china. wo es sie zuerst gab, kann wohl nicht mehr nachvollzogen werden.
in europa sind kreisel aller art spätestens ab dem 15. jh. nachweisbar. auf dem gemälde „die kinderspiele“ von pieter brueghel d.ä. von 1560 sind sie erstmals abgebildet – wurfkreisel (preckel), totums und peitschenkreisel (die werden aber schon in der spielesammlung von alfons x. im 13. jh. erwähnt), später dann auf bildern u.a. von chardin und chodowiecki; comenius, basedow und jahn zählten sie zu den pädagogischen spielzeugen.
das erste patent für einen stehaufkreisel meldete 1891 eine deutsche an: helene sperl aus münchen. neu war ihr „wendekreisel“ aber nicht. im amzonasgebiet sollen kinder schon viel früher
mit kreiseln aus ausgehöhlten flaschenkürbissen gespielt haben, die sich beim drehen auf den kopf stellten. der brummkreisel ist aber sicher eine deutsche erfindung und noch gar nicht so alt: patentiert 1913 von der firma lorenz bolz aus zirndorf (otto dix hat seinen sohn mit einem gemalt).
und dann gibt es noch die kreisel für gewinn- oder glücksspiele. hier hat der kreisel vier oder sechs seiten mit verschiedenen werten, und je nachdem, auf welcher seite er zu liegen kommt, gewinnt oder verliert der spieler seinen einsatz. ha, denk ich, kenn ich! chanukka! das haben die von unserem dreidel abgeguckt. stimmt aber nicht.
sehr wahrscheinlich ist das spiel im alten rom oder griechenland entstanden und von römischen soldaten und siedlern nach england gebracht worden. erwähnt wird es hier erstmals um 1500. sein name – „totum“ – und die buchstaben auf den kreiseln stehen zu der zeit noch für lateinische wörter: T für „totum“ (alles), A für „aufer“ (nimm), D für „depon“ (leg hin) und N für „nihil“ (nichts). im 16. jh. war das spiel in england und irland besonders um die weihnachtszeit populär, um 1720 wird es dann „t-totum“ oder „teetotum“ oder „put and take“ genannt, und ab 1800 begann man statt der lateinischen englische buchstaben drauf zu schreiben: T für “take all,” H für „half,” P für “put down” und N für “nothing”, aber auch zahlen oder „augen“ wie beim würfel. ebenso wahrscheinlich wanderte das spiel von hier aus auf den kontinent. im deutschsprachigen raum nannte man es „trundel“, „trendel“ oder „nimmgib“ (auch auf brueghels gemälde von 1560 hält ein mädchen eines in der hand); teilweise war das spiel im deutschen raum auch verboten, weil man wie bei allen glücksspielen damit auch leicht bescheißen konnte. die buchstaben auf den vier seiten lauteten deutsch: N, G, H und S – für „nichts“, „gantz“, „halb“, und „stell ein“.
und so kam das spiel zu den jüdischen kindern, samt der buchstaben. man nannte es jiddisch „dreidel“ (vom deutschen wort „drehen“), tauschte die lateinischen buchstaben durch hebräische aus, behielt aber ihre bedeutung: N = nun = „nichts“; G = gimel = „ganz“; H = he = „halb“ und S = schin = „stell ein“. unklar ist, wann dem spiel zusätzlich ein bezug zum „wunder“ von chanukka und dem sieg der makkabäer gegeben wurde, für das es heute bekannt ist. die interpretation der vier buchstaben als „N(es) G(adol) H(aja) S(cham)“, zu deutsch „hier ist ein großes wunder geschehen“ ist jedenfalls eine erfindung der neuzeit, genauso wie das hebräische wort „sewiwon“ für „dreidel“.
die viel später als das spiel selbst entstandenen erklärungen sind trotzdem hübsch. der chassidische rabbi zwi elimelech von dinow behauptete zb. im 19. jh., die juden hätten schon unter den griechen das dreidel-spiel benutzt, um die griechen zum narren zu halten, wenn sie beim lernen der verbotenen tora erwischt wurden. von den vier buchstaben meinte er, sie würden die alten königreiche darstellen, die versucht hatten, die juden auszurotten: N für nebukadnezar (babylon), G für gog (griechenland), H für haman (persien) und S für seir (rom). andere fanden ausgefeilte numerologische erklärungen: nach der gematria soll der zahlenwert der vier hebräischen buchstaben 358 ergeben, u.a. das numerische äquivalent von maschiach (messias), aber auch von nahasch (schlange, böser geist). am besten gefällt mir die erklärung, die buchstaben würden sich auf die bestandteile des menschlichen körpers beziehen: N für „nefesch“ (seele), G für „guf“ (körper), S für „sechel“ (geist) und H für „hakol“ (alles), also die gesammelten eigenschaften eines individuums). und die braucht man schließlich zum zocken.
