Tätowierte Pilger

ich habe immer angenommen, in europa hätten sich ganz früher nur matrosen und knackis tätowieren lassen. bis mir dieser kupferstich von 1669 vor die augen kam: tattoos eines jerusalempilgers aus hamburg. die christliche tätowierungspraxis war wahrscheinlich nicht wirklich weitverbreitet, aber wurde schon in der frühen christlichen neuzeit praktiziert (während in rom, in byzanz und im alten griechenland nur kriminelle, soldaten und sklaven tätowiert waren, hat man zb. im sudan eine weibliche mumie von etwa 700 u.z. mit einer christlichen tätowierung auf dem oberschenkel gefunden und auch prokopius von gaza, der 465 u.z. geboren wurde, erwähnt christen, die sich das kreuz oder den namen von jesus hatten stechen lassen). 

die christlichen tattoos folgen einer langen tradition der souvenirsammlung der pilger und kreuzritter. seit dem 4.jh. brachten pilger erinnerungen von den heiligen stätten nach hause mit, von winzigen ampullen mit öl bis hin zu schweren modellen sakraler bauten. eine tätowierung aus jerusalem oder bethlehem aber war quasi der lebenslange beweis, dass sie dort gewesen waren, ein „marker“ des bundes mit gott, ein positiv gewendetes kains-mal oder ein mit den wunden christus‘ verglichenes „stigma“. der erste schriftlich erwähnte tätowierte pilger war der deutsche adlige alexander von pappenheim, der 1563 einen araber in jaffa für ein kleines kreuz-tattoo auf seinem linken oberschenkel bezahlt hatte. die meisten tattoos dürften aber von franziskaner-mönchen (die die heiligen stätten verwalteten) und auf den oberen gliedmaßen gestochen worden sein. ein henry maundreleine schreibt 1697: „sie haben holzstempel mit jeder figur, die gewünscht wird. die drucken sie zuerst mit holzkohlepulver auf den arm; dann nehmen sie zwei sehr feine nadeln, die eng zusammengebunden sind und tauchen sie oft wie einen stift in eine bestimmte tinte, die, wie mir mitgeteilt wurde, aus schießpulver und ochsengalle besteht, und machen mit ihnen kleine einstiche entlang der linien der figur. am ende waschen sie die stelle mit wein…“. das wort „tatoo“ benutzte der autor aber noch nicht. das wanderte erst knapp hundert jahre später durch james cooks berichte aus dem tahitianischen „tatao“ in die europäischen sprachen ein.

(meine weisheiten habe ich von robert ousterhout: „the ‚honourable stigmatisation’ of jerusalem pilgrims“, 2015)

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