
das bild ist tausendfach durch die sozialen netze gegangen. aber an den mann im kreis kann man nicht oft genug erinnern.
hamburg, juni 1936. bei blohm + voss wird ein segelschulschiff vom stapel gelassen. es soll „horst wessel“ heißen. der „führer“ höchstpersönlich ist samt entourage angereist. hunderte werftangestellte werden zum jubeln heranzitiert und die presse ist da. rudolf hess hält eine seiner einpeitschreden, das schiff wird getauft und „deutschland, deutschland über alles“ intoniert. in einem dieser momente entsteht das foto, als alle, wie von ihnen erwartet wird, den rechten arm zum „deutschen gruß“ hochreißen. alle, bis auf einen. der seine arme stoisch vor der brust verschränkt behält…
wer dieser mutige mensch war, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. der historische schnappschuss war erst jahrzehnte nach dem ereignis in den kellerarchiven des hamburger rathauses aufgestöbert worden. 1988 war er in einer hamburger ausstellung und 1991 in der „zeit“ zu sehen. 1995 dann druckt das hamburger abendblatt das foto samt der frage ab, ob sich jemand an das ereignis oder den mann erinnern könne. tatsächlich melden sich zwei nachkommen, die sich jeweils sicher sind, den eigenen vater auf dem bild erkannt zu haben. und tatsächlich sehen beide väter dem mann auf dem foto sehr ähnlich.
der eine hieß gustav wegert (1890–1959), war schlosser auf der werft und gläubiger christ – einer, der sich immer geweigert habe, den hitlergruß zu zeigen oder zu erwidern.
der andere hieß august landmesser (1910–1944) und hat ebenfalls bei blohm + voss gearbeitet, ob schon 1936, ist offen. aber ohnedies muss er ein besonderer mensch gewesen sein.
der arbeitslose landmesser war 1931, mit 21, in der hoffnung auf eine anstellung in die nsdap ein- und 1935 wieder ausgetreten, weil er sich in die jüdin irma heckler verliebt und sich mit ihr verlobt hatte. die eben erlassenen „nürnberger gesetze“ verhinderten die hochzeit. landmesser hielt trotz des verbots zu seiner freundin und so kamen ihre beiden töchter unehelich zur welt. 1937 wurde der „arier“ landmesser wegen „rassenschande“ mit der „volljüdin“ heckler und ein jahr später wegen der fortführung der beziehung angeklagt und am ende zu zweieinhalb jahren zuchthaus verurteilt. die zwei kleinen mädchen wurden voneinander getrennt ins waisenhaus gesteckt. irma wurde in das kz lichtenburg und von da nach ravensbrück deportiert und 1942 in der euthanasieanstalt bernburg ermordet. august arbeitete nach seiner entlassung aus dem straflager börgermoor in warnemünde, bis er 1944 in ein „bewährungsbataillon“ nach kroatien eingezogen, dort kurz darauf als vermisst gemeldet und später für tot erklärt wurde…
wie auch immer der mann auf dem foto hieß – gustav, august oder anders –, wichtig nur, dass es menschen wie ihn gab. und gibt.
