Amikäfer

am 16. Juni 1950 wartet das „neue deutschland“ mit einer irren schlagzeile auf: „außerordentliche kommission stellt fest: usa-flugzeuge warfen große mengen kartoffelkäfer ab“. am nächsten tag meldet die ddr-nachrichtenagentur adn gar, dass „kartoffelkäfer-geschwader in stärke von 45 flugzeugen“ mit unkenntlich gemachten hoheitsabzeichen in das kreisgebiet von worbis in thüringen eingeflogen seien. und die sowjetische „tägliche rundschau“ weiß auch warum: „die ständig steigende verbesserung der versorgungslage in der republik“ sei den amis ein dorn im auge, deshalb versuchten sie, die ddr-landwirtschaft zu schädigen, und da dies „naturgemäß auf legalem wege niemals möglich ist, scheuen sie auch vor abscheulichsten verbrechen nicht zurück“.

völlig abwegig ist die idee nicht. briten und franzosen hatten im weltkrieg mit kartoffelkäfern experimentierten und auch die deutsche wehrmacht züchtete welche und warf 1943 bei speyer 14.000 käfer ab, um ihre eignung als biologische waffen zu testen.
doch mit den amerikanern hat die plage in der ddr nichts zu tun. 1949 war ein extrem warmes, trockenes jahr, und damit ideal für die vermehrung der tierchen. mitte 1950 ist die hälfte der landwirtschaftlichen anbaufläche befallen, pflanzenschutzmittel gibt es kaum, kartoffelreserven auch nicht. die ohnehin schon schlechte versorgung der bevölkerung ist ernsthaft gefährdet, die wiederum kann sich den starken befall ihrer äcker nicht erklären und die ddr-führung wird der katatstrophe nicht herr. ein idealer boden für verschwörungstheorien. „zum glück“ hatten bauern auch noch irgendwelche nächtlichen flugzeuggeräusche gemeldet und so war der schuldige schnell ausgemacht und für die zukunft vorgebaut, denn bei mangelnder wachsamkeit käme nach dem kartoffelkäfer, so die zuständige regierungskommission, die pest und die atombombe.
in einer ddr-weiten riesenkampagne in allen medien, auf plakaten und briefmarken wird die bevölkerung aufgefordert, die „amikäfer“, die „saboteure in amerikanischen diensten“ auf dem feld zu bekämpfen. und bertolt brecht dichtet: (…) die amiflieger fliegen / silbrig im himmelszelt / kartoffelkäfer liegen / in deutschem feld. die wortschöpfung „amikäfer“ stammte von paul merker, der kurz darauf selbst in ungnade fällt, aber hier als agrarstaatssekretär noch die regierungskommission leitet, die den „plötzlichen und unerwarteten“ kartoffelkäferbefall untersuchen soll und den kriegstreiber amerika als den eigentlichen schädling ausmacht. dass niemand je etwas aus flugzeugen hatte fallen sehen, geschweige denn irgendwelche behälter gefunden wurden, wird der öffentlichkeit nicht erzählt. und zwei monate später enden die berichte über kartoffelkäferabwürfe genauso plötzlich, wie sie begonnen hatten.

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