Klatsch: Lenins Geliebte

inessa armand wird am 8. mai 1874 als elisabeth-inès stéphane d’herbenville und tochter des französischen opernsängers théodore pécheux d’herbenville und der schottischstämmigen komikerin nathalie wild in paris geboren. nachdem ihr vater früh stirbt, kommt sie mit 15 in die obhut einer tante nach moskau und wird dort zu „inessa“. sie lernt russisch, macht eine ausbildung als hauslehrerin und heiratet mit 19 alexander armand, den sohn eines moskauer wollfabrikanten.
inessa armand ist von der armut der arbeiter in der fabrik ihres schwiegervaters erschüttert. zusammen mit ihrem mann richtet sie eine schule für arbeiter- und bauernkinder ein, in der sie auch selbst unterrichtet. sie bekommt vier kinder, wird 1900 vorsitzende des moskauer „vereins zur verbesserung des loses der frau“, 1903 mitglied der illegalen sozialdemokratischen arbeiterpartei und engagiert sich für die frauenemanzipation. zwischendurch verliebt sie sich in wladimir, den jüngeren bruder ihres mannes, und lebt fortan mit ihm zusammen. nachdem frauen zum studium zugelassen werden, studiert sie jura, wird wegen revolutionärer umtriebe zweimal verhaftet und schließlich nach sibiren verbannt. von dort flieht sie 1908 und gelangt ein jahr später illegal in die schweiz, wo wolodja armand am sterben ist und ein paar tage nach ihrer ankunft der tuberkulose erliegt, so wie später auch ihr noch-ehemann alexander. inessa armand geht nach brüssel, studiert soziologie und wirtschaft und wechselt 1910 nach paris, um für die partei zu arbeiten. hier lernt sie lenin kennen…
der revolutionsführer ist 40, klein, untersetzt, hat eine glatze, und ein ungeheures charisma. inessa ist 36 und sieht deutlich jünger aus, sie hat große braune augen, ist mondän, elegant gekleidet und in beinahe allem das genaue gegenteil von lenins ehefrau nadeschda krupskaja, die einer abgehetzten arbeiterfrau ähnelt und vermutlich auch keine zeit hat, sich um ihr äußeres zu kümmern. sie ist unentwegt dabei, zu organisieren, die sekretärin für lenin zu spielen, für ihn zu kochen und zu waschen.
der aber kann fortan „seine mongolischen augen nicht von der kleinen französin lassen“, wie der sozialist charles rappaport schreibt. bald bringt er inessa in einer wohnung in der gleichen straße unter, in der auch er mit seiner frau wohnt. sie spielt ihm auf dem klavier vor, er geht mit ihr spazieren und organisiert kongresse, auf denen sie ihn begleitet.
die affäre geht mehrere jahre. inessa folgt ihm und nadja krupskaja nach krakau, nach bern, nach zürich. als lenin sich 1917 nach dem petrograder aufstand illegal mit einem zug nach russland bringen läßt, sind nicht nur er, die krupskaja, radek und sokolnikow an bord, sondern auch inessa armand, die dann auch hier eine wichtige rolle im propaganda-apparat der bolschewiki spielt.
irgendwie hat auch nadja krupskaja die ménage-à-trois akzeptiert und ihre eifersucht überwunden. sie soll inessa armand geschätzt haben („es wurde gemütlicher und lustiger, wenn inessa kam“) und die sie („ich habe sie fast vom ersten moment an geliebt“).
aber irgendwann beendet lenin zugunsten seiner langjährigen treuen gefährtin die intimität mit inessa doch. die akzepiert und klagt: „ich habe mich von dir getrennt, getrennt, mein lieber!“. das wenige, was von dem pikanten briefwechsel zwischen den beiden erhalten geblieben ist, wird erst in den 1990er jahren zugänglich. sie sollte schließlich als kampfgefährtin, nicht als bettgenossin lenins in die geschichte eingehen und er als knallharter revolutionär, nicht als einer, der seiner „geliebten inotchka“ (seine frau nannte er wegen ihrer vorstehenden augen „ryba“ – fisch) „tausend küsse“ schickte und von ihr zeilen bekam wie: „ich hatte eine verrückte lust, mich dir zu nähern“.
in seiner nähe und der sache erhalten bleibt inessa dennoch. sie tourt als agitatorin durch die junge sowjetunion und ist schließlich 1920 so erschöpft, dass lenin sie zur kur in den kaukasus schickt. hier bricht kurz darauf der bürgerkrieg aus. sie wird nach naltchik evakuiert, steckt sich dort mit der cholera an und stirbt am 24. september 1920 mit 46 jahren. ihr leichnam wird nach moskau überführt, auf einem von zwei weißen pferden gezogenen wagen vom bahnhof zum kreml gebracht und an dessen mauer neben dem amerikanischen journalisten john reed beigesetzt. lenin habe die tränen kaum zurückhalten können, er sei kaum wiederzuerkennen gewesen und am grab fast zusammen gebrochen, heißt es in den erinnerungen der revolutionärin alexandra kollontaj, und bei nadeschda kruspkaja: „ich fürchte, wolodja könnte über inessas tod nicht hinwegkommen. er weint und starrt unentwegt in eine ecke“. allzuviel zeit zum trauern hatte wladimir iljitsch lenin auch nicht mehr. er starb drei jahre nach inessa armand.

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