
von ihm stammen die wortschöpfungen „zionismus“ und „ostjudentum“: nathan birnbaum. eine geistreiche, schillernde figur, am 16.mai 1864 in wien geboren und kaum noch bekannt. seine eltern waren menachem mendel birnbaum, ein kaufmann aus ropshitz in galizien, und miriam birnbaum, geb. seelenfreund, die aus einer rabbinerfamilie in nordungarn (karpato-rus) stammte. nathan birnbaum ging in wien in eine staatliche schule, studierte jura und philosophie und beherrschte als denker und publizist vor herzl die debatte um die „jüdische (national)frage“, vor allem in wien und berlin.
den begriff „zionismus“ prägte birnbaum schon anfang der 1880er jahre. 1882 gründete er den ersten jüdisch-nationalen studentenverein „kadima“ (vorwärts), der eine zentrale rolle in der vorgeschichte des modernen zionismus spielte (u.a. mit texten zur „assimilationssucht“) und 1885 die erste deutschsprachige jüdisch-nationale zeitung: die „selbstemanzipation“ (später „jüdische volkszeitung“). birnbaum bestimmte auch das theoriegebäude des begriffes von einer jüdischen nationalität (jüdischer „geist““ + gemeinsame geschichte + bewußtsein von zusammengehörigkeit). dazu gehörte für birnbaum das wiedererwerben des hebräischen als nationalsprache, weswegen er anfangs auch gegen jiddisch wetterte („dieses sprachenmischmasch ist nicht geeignet, sprache eines culturvolkes zu werden“), bevor er sich mit herzl in die haare bekam (u.a. wollte er eine besiedlung palästinas ohne eigene staatsgründung), der ihn aus der 1898 gegründeten zionistischen weltorganisation ausschaltete, und sich ganz vom zionismus distanzierte. unter diversen pseudonymen – u.a. mathias acher (hebräisch: „der andere“, nach elisha ben abuja, dem abtrünnigen im talmud, der auch acher genannt wurde) – verfaßte birnbaum fortan texte zu seiner eigenen kultur(zionistischen) programmatik und vertrat eine art diaspora-nationalismus – jüdisches leben in mitteleuropa jenseits von assimilation und zionismus. später machte er noch einmal einen schwenk und wandte sich der orthodoxie zu, verteidigte die ostjuden und die chassidische kultur, wurde generalsekretär der streng orthodoxen agudat israel und propagierte nun vehement (was kümmert mich mein geschwätz von gestern) das jiddische. er zog für drei jahre nach czernowitz, um jiddisch zu lernen, organisierte dort den ersten weltkongress jiddischer sprache und lud namhafte jiddisch-autoren ein. nathan birnbaum war mitglied der berliner gemeinde „adass jisroel“ und emigrierte 1933 mit seiner frau rosa korngut in die niederlande, wo er 1937 starb. (ihr sohn menachem, ein buchillustrator, wurde in auschwitz ermordet; der sohn uriel, ebenfalls zeichner und lyriker, überlebte im versteck; der älteste sohn, solomon, floh nach london und wurde durch seine jiddischen sprachlehren auch ein in deutschland bekannter philologe – zumindest ist seine jiddische grammatik das einzige buch, das ich jemals geklaut habe).
