Omar Khayyām

omar khayyām *18. mai 1048 – persischer philosoph, mathematiker, astronom, poet, berühmt geblieben vor allem für seine rubaiyat (vierzeiler):

Zu blindem Glauben war ich nie geboren, 
Ich hab‘ die Demut nimmer mir erkoren; 
Doch hoff ich Gnade einst vor deinem Throne! 
Lag ja mit Winseln nie dir in den Ohren!

Das sind die Esel, die den Teppich breiten, 
Und, urteilslos, zu Heuchlern sich bereiten. 
Doch Schurken sind die, die den Islam künden, 
Und unterm Mantel schlimmer sind als Heiden.

Von allen Menschen, die ich je gekannt,
Ich nur zwei Menschen glücklich fand.
Den, der der Welt Geheimnis tief erforscht,
Und den, der nicht ein Wort davon verstand

Man sagt, das Paradies mit Jungfraun sei entzückend,
Ich find’ allein den Rebensaft berückend!
Nimm diesen Cent und den versprochnen Schatz lass fahren,
Denn Krieges Trommelklang ist nur von fern beglückend.

Eh dich die Sorgen ganz erschlagen haben,
Sollst du am rosenfarbnen Wein dich laben.
Du bist ja doch kein Gold, das man verscharrt,
Um es dann später wieder auszugraben!

Seit Mond und Venus ihre Bahnen gehn,
Hat man was Beßres nicht als Wein gesehn.
Mich wundert´s nur, daß jemand Wein verkauft!
Was kann er Beßres denn dafür erstehn?

Ich trinke nicht aus bloßer Lust am Zechen,
Noch um des Korans Lehre zu durchbrechen,
Nur um des Nichtseins kurze Illusion.
Das ist der Grund, aus dem die Weisen zechen.

Ein Liederbuch, ein Brot, ein irdner Krug voll Wein,
Vom Lamm ein Schenkelstück und dann so ganz allein
In weiter Flur mit dir, du tulpenwang´ge Maid,
Ein Sultan möchte wohl an meiner Stelle sein.

O Weh um jenes Herz, in dem kein Feuer brennt.
Das nicht die hehre Glut der Liebessonne kennt;
Wer einen ganzen Tag ohn´Liebe hingebracht,
Tut recht, wenn jenen Tag er ´nen verlornen nennt.

Als Du das Leben schufst, schufst Du das Sterben:
Uns, Deine Werke, weiht´st Du dem Verderben.
Wenn schlecht Dein Werk war, sprich wen trifft die Schuld?
Und war es gut, warum schlägst Du´s in Scherben?

Das Rätsel dieser Welt löst weder du noch ich,
Jene geheime Schrift liest weder du noch ich, –
Wir wüßten beide gern, was jener Schleier birgt,
Doch wenn der Schleier fällt, bist weder du noch ich.

Was heut hierher mich trieb? Ich sag es unverhohlen:
Ich hatt´in der Moschee ´nen Betteppich gestohlen,
Der ist jetzt alt und schlecht, drum kam – ein seltner Gast –
Ich heute wieder her,´nen neuen mir zu holen.

In Kirchen und Moscheen und Synagogen
Wird man um seiner Seele Ruh betrogen.
Doch dem, der der Natur Geheimnis ahnt,
Wird keine Angst vorm Jenseits vorgelogen.

Hoch gilt der Koran, heilig weit und breit, 
Doch liest man ihn nur bei Gelegenheit; 
Indes‘ am Kelchrand lichtvoll steht ein Verschen, 
Das liest man gern und oft, zu aller Zeit.

Ein Koran-Schänder wär‘ ich, sagt man mir, 
Verderbt, verrucht und sündig; gleich dem Tier! 
Was tat ich denn, ihr frommen, keuschen Zetrer? 
Ich trank, trieb Ehbruch, schlemmte; – na und ihr?

Des Glaubens Feind wär‘ Wein, – der Fromme glaubt. 
Von links und rechts dem Wein man Rache schnaubt. 
So trink‘ ich denn den Wein in Gottes Namen, 
Denn: »Feindes Blut zu trinken ist erlaubt.«

Du mußt nicht alles auf den Himmel schieben, 
Was doch das Schicksal starr dir vorgeschrieben; 
Dem Himmel, Freund, geht’s tausendmal noch schlechter: 
Er wird, wie du, geschoben und getrieben.

Da Er gemacht mich aus dem Erdenkloß, 
Da wußt Er längst schon meines Schicksals Los, 
Er wußte längst schon alle meine Sünden, – 
Warum dann brennen in der Hölle Schoß?

Kennst gründlich du die Welt, die endlos krumme, 
Dann kennst du auch der Menschheit ganze Summe. 
Zwei Arten gibt’s: Die eine schlecht und recht, 
Und dann die andre, die beschränkte, dumme.

Jenseits der Sechzig miß mit anderm Maß, 
Setz‘ nüchtern nie den Fuß auf Stein und Gras. 
So lang‘ dein Schädel noch nicht Krug, o sorge, 
Daß stets zur Hand die Flasche und das Glas.

Von dieser Erdenwelt scheid ich nun ab,
Die kurze Zeit lang mir ein Obdach gab;
Von allen Rätseln ward mir keins gelöst,
Und tausend Zweifel nehm ich mit ins Grab.

illustration: artur szyk, 1940

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