Der erste Eisenbahn-Mord

am 9.juli 1864 passierte der erste mord in einem zug. und wer wars? ein deutscher. ausnahmsweise kein gärtner, sondern ein schneider. der 24jährige franz müller aus langendernbach in hessen, wohnhaft in london… 

um 21.50 uhr kam der zug der north london railway in hackney an. zwei bankangestellte stiegen in ein leeres abteil der ersten klasse und bemerkten sofort blut im wagen. sie riefen einen wachmann, der das abteil untersuchte und außer dem blut einen schwarzen „biberhut“ (das waren aus biberhaar gefertigte filzhüte), einen stock und eine tasche fand. um 22.20 uhr bemerkte der fahrer eines anderen zuges, der in die entgegengesetzte richtung fuhr, einen mann, der offenbar bewusstlos und schwer verletzt neben den gleisen lag. das opfer war thomas briggs, der 70jährige chefsekretär einer bank, der noch in derselben nacht starb. die tasche und der stock gehörten ihm, der hut nicht. dafür fehlten seine goldene uhr, die uhrkette und die goldgerandete brille. 
die presse berichtetet ausführlich über den fall. und es wurden hohe belohnungen für die ergreifung des mörders ausgesetzt, schließlich fürchtete man nachahmer, die in der neuen welt der züge ein leichtes spiel hatten.
der hut am tatort lieferte einen ersten hinweis: er trug die adresse des herstellers in der crawford street, marylebone, und die entscheidende information kam auch schnell, von einem juwelier namens john death (sic!). in seinem laden war zwei tage nach der tat ein deutscher aufgetaucht, der eine uhr mit goldkette, die später als die des opfers identifiziert wurde, gegen eine andere uhr eintauschte. der kunde hatte die neue uhr in einem karton mitgenommen, der mit dem namen des juweliers gestempelt war. und eben jener karton tauchte im haushalt einer zimmerwirtin wieder auf, deren mieter – franz müller – kürzlich überstürzt abgereist war. die vermieterin erkannte den im abteil gefundenen hut als den, den ihr untermieter zur fraglichen zeit verloren haben wollte. und sie berichtete, dass er an bord des segelschiffs „victoria“ nach new york wollte. soweit die eine version der geschichte. die andere lautet, dass ein taxifahrer bzw. droschenkutscher namens matthews den karton mit dem stempel des juweliers bei sich zu hause vorgefunden hat; eines seiner kinder habe ihn von müller geschenkt bekommen, der früher mal mit seiner tochter verlobt gewesen sei, und dass er selbst den im zug gefundenen biberhut im auftrag müllers bei dem angegeben hersteller gekauft habe. welche version korrekt ist weiß ich nicht (fakenews gab’s schon immer). 
der nächste part ist aber verbürgt und klingt nach frühem „dr. crippen auf der flucht“. franz müller war ja auf dem weg nach new york. und inspector richard tanner, einer der ersten hauptberuflichen detektive von scotland yard, folgte ihm am 20. juli 1864. allerdings nahm er ein dampfschiff, die „city of manchester“, um vor müller anzukommen. als dessen segelschiff dort drei wochen später ebenfalls vor anker ging, wurde er noch auf der pier verhaftet. man fand die uhr und einen hut, von dem man annahm, dass er briggs gehört hatte. mitte september traf tanner mit seinem gefangenen wieder in london ein. die hinrichtung von franz müller am 14. november 1864 war eine der letzten in england. als direkte folge des mordes wurden in allen wagen sog. kommunikationskabel installiert (eigentlich waren es kordel, die durch die abteile gespannt wurden), mit denen die fahrgäste das zugpersonal bei gefahr auf sich aufmerksam machen konnten, und zwischen den abteilen gucklöcher, „muller’s lights“. happy müller-lichter-tag!

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