sophie josephine ernestine friederike wilhelmine gräfin von hatzfeldt-wildenburg-schönstein zu trachenberg (uff), geboren heute vor 215 jahren, war mit einem ekel von mann verheiratet, als sie ferdinand lassalle kennenlernte. seit sie am tag vor ihrem 17. geburtstag in die ehe mit ihrem cousin edmund gezwungen worden war, hatte sie unter ihm gelitten. der gute gatte verbrachte schon die hochzeitsnacht wie viele andere nächte lieber mit einer mätresse, er prügelte und demütigte seine frau, sperrte sie ein, entzog ihr die drei kinder und das geld. ein früherer versuch, sich von ihm scheiden zu lassen, war am widerstand ihrer brüder gescheitert, die ihr aus angst vor einem skandal jede finanzielle hilfe verweigerten.
1846 endlich – sie hatte grade den 20 jahre jüngeren ehrgeizige jungjuristen und späteren arbeiterführer lassalle kennengelernt – sagte sich sophie von ihrer familie los und begann ihre scheidung selbst zu betreiben. die schlammschlacht, die mit lassalles hilfe dann folgte, beschäftige 36 verschiedene gerichte und zog sich über acht jahre hin, u.a. weil beide parteien mit allen lauteren und unlauteren mitteln um sophies alimentierung und die kinder kämpften und lassalle die verhandlungen für die propagierung seiner eigenen ziele nutzte. für ihn war der streit um ihre rechte ein politischer kampf für gerechtigkeit, gegen das feudalsystem und die alten konventionen.
die gräfin hatte sich in diesen jahren immer stärker mit den sozialen und politischen ideen ihres freundes „infiziert“. ihrer tochter schrieb sie: „mein ganzes herz empört sich, wenn ich die not, das elend, die unterdrückung der unteren klassen, den übermut, die hartherzigkeit, die genußsucht der reichen sehe, die sich alles ungestraft erlauben.“
ab 1848 lebte das ungleiche paar zusammen in düsseldorf. sophies haus war in den revolutionsjahren ein wichtiger treffpunkt der verfolgten und revolutionäre (marx, freiliggrath usw) und stand unter dauerbeobachtung der polizei. die couragierte sophie von hatzfeldt, inzwischen von bewunderern wie verleumdern „die rote gräfin“ genannt, focht das nicht an. sie begleitete lassalle bei seinen agitationstouren vor arbeitern und kehrte nach einer dieser versammlungen demonstrativ in einem schwarz-rot-gold-geschmückten wagen samt roter fahne nach düsseldorf zurück…
auch als beide ab ende der 1850er jahre in berlin lebten, setzte sich der skandal fort. die emanzipierte adlige – die sich öffentlich ihrem ehemann widersetzt hatte, ohne trauschein mit dem
deutlich jüngeren, jüdischen seidenhändlersohn und staatsfeind zusammenlebte, die hausherrin in seinem salon gab, mitdiskutierte statt wie von frauen erwartet brav in der ecke zu sitzen, zigarren rauchte und liebhaber hatte – war auch hier stadtgespräch. ob die beiden auch miteinander eine erotische beziehung unterhielten, weiß man hingegen nicht so recht; aus ihrem briefwechsel geht allenfalls hervor, dass sie seine liebschaften akzeptierte und er eifersüchtig auf die ihren war. in jedem fall unterstützten sie sich gegenseitig in so ziemlich allen lebenslagen; für ferdinand war sophie „mein eigenes noch einmal verkörpertes ich“, er für sie „mein liebes kind“. vor allem aber war sie die erste frau, die sich in die männerdomäne der parteienpolitik vorwagte. wenn z.t. auch nur informell: u.a. verbot das preußische vereinsgesetz frauen die mitgliedschaft im „allgemeinen deutschen arbeiterverein“, den lassalle 1863 gegründet hatte.
1864, nach lassalles tod, er hatte sich wegen einer frau duelliert (sein sekundant war übrigens sophies ex-liebhaber wilhelm rüstow), schwor sie, sein vermächtnis fortzusetzen. zunächst aber wollte sie seinen leichnam in einem triumphzug durch alle städte führen, in denen es inzwischen ableger des adav gab, scheiterte aber schon an der dritten station, weil lassalles mutter die leiche mit hilfe der polizei einkassieren und zum beerdigen in seine geburtsstadt breslau bringen ließ. sophie, die sich als einzige legitime erbin der lassallschen ideen betrachtete, lancierte dann erst weiter artikel und wahlkampfbroschüren in seinem sinne, gab seine nachgelassenen schriften heraus und finanzierte eine zeitung und politische agitatoren. schließlich versuchte sie den ADAV quasi zu „übernehmen“, indem sie einen strohmann und lassallianer als präsidentschaftskandidaten vorschickte. der wurde aber nicht gewählt, woraufhin die gräfin eine gegenpartei gründete, den „lassalleschen allgemeinen deutschen arbeiterverein.
doch das ließen sich die platzhirsche nicht gefalllen. die junge sozialdemokratie kämpfte mit harten bandagen, mit allen mitteln und mann gegen mann (bzw. frau). karl marx, der mit seinem konkurrenten lassalle bekanntlich im dauerclinch gelegen, sophie früher „ungleich mehr politischen verstand“ als diesem zugetraut und ihr zu lassalles tod noch artig kondoliert hatte, nannte sie nun dritten gegenüber „die alte hure hatzfeldt“ oder „das saumensch“. und während die einfache arbeiterschaft sie weiter verehrte, fiel die gesamte frauenfeindliche funktionärsriege mit der (wieder)vereinigung der beiden parteien über sie her, denunzierte und diffamierte sophie von hatzfeld als „intrigantin“, „agentin bismarcks“, „alte hexe“ (wilhelm liebknecht) und ihre anhänger als „schwachköpfe“ und „werkzeuge“…
man(n) hat ihren ruf gründlich ruiniert und ihren beitrag weitgehend aus der geschichte der sozialdemokratie getilgt; selbst ein franz mering entblödete sich nicht, zu schreiben, sophie von hatzfeld habe bloß versucht, die „weiberherrschaft“ einzuführen und damit die abeiterbewegung lächerlich gemacht. dabei hatte die „rote gräfin“ lediglich das getan, was alle taten – mit dem unterschied, dass sie als frau kaum andere eingriffsmöglichkeiten hatte (und ihr am ende nichts weiter blieb, als sich aus der politik zurückzuziehen).
sophie von hatzfeld starb 1881, 16 jahre nach ferdinand lassalle. den briefwechsel der beiden kann man hier nachlesen: http://www.historische-kommission-muenchen-editionen.de/lassalle/anzeige/band.php?id=L-004

