Eines der letzten Opfer der NS-Mörderjustiz

fritz wehrmann *7. juli 1919, war eines der letzten opfer der ns-mörderjustiz. zwei tage  n a c h  der „bedingungslosen kapitulation“ nazideutschlands wurde der 26-jährige matrose zusammen mit seinen kameraden alfred gail, 20 jahre alt, und martin schilling, 22 jahre alt, hingerichtet.

die drei hatten einen tag nach der teilkapitulation am 6. mai 1945 nach einem feuchtfröhlichen kameradschaftsabend im svendborger strandhotel beschlossen, ihre einheit zu verlassen. der krieg war schließlich aus. sie wollten nach hause zu ihren familien, fritz (l.) nach leipzig, martin nach ostfriesland und alfred (kleines foto) nach kassel. sie kamen nicht weit. sie wurden von dänischen hilfspolizisten aufgegriffen und in der geltinger bucht auf dem marine-begleitboot „buéa“ eingesperrt. man informierte den kommodore der schnellbootwaffe, kapitän zur see rudolf petersen, und der berief am 9. mai, dem ersten tag des neues friedens, ein improvisiertes marinegericht ein. bestehend aus dem stabsrichter adolf holzwig, dem oberstabsarzt dr. busch, dem hauptgefreiten faustmann und kapitänleutnant von dresky als anklagevertreter. verteidiger bekamen die angeklagten nicht zugewiesen. die „verhandlung“ war eine einzige anklage, die gesamtkapitulation war kein thema, die teilkapitulation wurde als „waffenruhe“ und der heimkehrversuch als „fahnenflucht“ gewertet. und so lautete das begründungslos ergehende und ohne verweis auf die möglichkeit eines gnadengesuchs ausgesprochene urteil: tod durch erschießen. kommodore rudolf petersen, der die drei als gerichtsherr des verfahrens hätte begnadigen können, bestätigte das todesurteil am folgenden tag, dem 10. mai. kurz darauf wurden die drei jungen männer aneinandergebunden und von einem hinrichtungskommando unter dem kapitän zur see merkel (der wenige tage zuvor schon die erschießung von elf angehörigendes eines minenräumbootes in sonderborg befehligt hatte) vor den augen der angetretenen mannschaft der „buéa“ erschossen und mit gewichten beschwert in der ostsee versenkt. 
anna wehrmann erfuhr erst 1946 vom tod ihres sohnes. ein freund von fritz brachte ihr seinen abschiedsbrief und da er auch die namen der verantwortlichen nennen konnte, strengte sie einen prozess beim landgericht hamburg an.
in der folge fanden drei prozesse wegen totschlags und rechtsbeugung gegen fünf angeklagte statt. diese machten geltend, dass sie angesichts der zersetzungserscheinungen in der truppe mit ihrer entscheidung eine meuterei hatten verhindern und die „manneszucht“ aufrechterhalten wollen. in den ersten prozessen 1948 und 1949, deren urteile jeweils aufgehoben wurden, hatte es schuld- und freisprüche gegeben (der jüdische anwalt herbert pardo hat schon 1948 in seinem buch „der fall petersen“ auf den unrechtscharakter der wehrmachtjustiz aufmerksam gemacht). 1952 kassierte der bundesgerichtshof die schuldsprüche und bescheinigte den angeklagten im revisionsverfahren, zur tatzeit „in einem ordnungsgemäßen verfahren das sachliche recht verwirklicht“, also korrekt gehandelt  zu haben; den vorsitz der verhandlung hatte der ehemalige wehrmachtrichter paulheinz baldus. in der angeordneten neuverhandlung im februar 1953 folgte das landgericht hamburg der sichtweise, sprach alle angeklagten frei und setzte noch eins drauf: kommodore petersen habe „aus dem gefühl der verantwortlichkeit für die erhaltung der disziplin seines gesamten verbandes und für das, wiederum hier von abhängige wohl eines teils des deutschen volkes“ gehandelt; marinestabsrichter holzwig demgegenüber (der kunstmaler war), sei eine typische künstlernatur und schon von daher wäre ihm eine bewußte rechtsbeugung mit dem ziel, unschuldige zu tode zubringen, gänzlich „persönlichkeitsfremd“ gewesen. im gegenteil, den beteiligten hätten sich sogar, „von der von hitler und der partei ausgehenden politisierung der rechtsprechung“ freigehalten. statt drei justizmorde zu sühnen, endete die juristische auseinandersetzung mit einem pauschalen freispruch für die marinejustiz des dritten reiches. das urteil war für die rechtsprechung der nächsten jahrzehnte wegweisend und in west-deutschland wurde kein einziger wehrmachtrichter rechtskräftig verurteilt.
anna wehrmann verkraftete den tod zweier ihrer söhne (einer war noch 1945 gefallen) nicht und starb nach jahren im plegeheim in geistiger umnachtung. alfred gails mutter nahm sich nach dem letzten prozess das leben. rufolf petersen machte karriere als geschäftsmann und beim militärischen abschirmdienst; bis er 1983 starb, hatte er eine segelschule in schleswig-holstein.

Hinterlasse einen Kommentar