„manchmal verfärbt sich das antlitz eines tv-stars ins rotlila, als drohe er zu ersticken, dann wieder ins gelblichgrüne, als sei er von einer plötzlichen gelbsucht befallen…“ – am 25. august 1967 begann die ära des farbfernsehens in w-deutschland. punkt 10:57 uhr drückte willy brandt, damals regierender bürgermeister von w-berlin und deutscher vizekanzler, bei der internationalen funkausstellung auf den roten knopf, und schwupps: alles bunt.
eigentlich war es das schon eine sekunde früher (https://youtu.be/f-5B9cM2XyI), weil der techniker zu aufgeregt war, aber wir sind ja nicht kleinlich und all zuviele zuschauer, die es hätten bemerken können, gab es auch noch nicht.
w-deutschland war nach den usa und japan erst das dritte land, das farbfernsehen einführte, die geräte kosteten so viel wie ein halber volkswagen, wogen über einen zentner und setzten sich trotz ihrer vielversprechenden namen wie „burggraf“, „kalif“, „schauinsland“, „rubens-vitrine“ oder goya“ erst langsam durch. die erste abendsendung, live aus der deutschlandhalle, erlebten dann auch nur etwa 5% der tv-zuschauer in color: auf dem programm stand „der goldene schuss“ mit vico torriani samt illuminierter wasserorgel, ballett-girls in güldenen pailletten und der rot bejackten max-greger-big-band auf goldenen stühlen… dass anfangs kaum jemand einen farbfernseher kaufte, lag neben dem preis auch daran, dass ard und zdf im wechsel nur 8 stunden in der woche in farbe sendeten und alle beteiligten noch mit den tücken der neuen technik zu kämpfen hatten. aus einem schönen „spiegel“-text vom august 1967:
„Grüne Wiesen werden mitunter blau, Bananen und Zitronen erscheinen auf dem Bildschirm grün (…) Schon geringfügige Verschiebungen im Lichtspektrum eines Scheinwerfers können die Farbwerte einer TV-Szenerie merklich verändern. (…) Aber auch bei gleichbleibenden Lichtverhältnissen kann es zu frappierenden Farbspielen kommen. Pflanzen werfen grünliche Schatten, gelbe Tapeten färben Gesichter blau. (…) Lichtreflexe im Studio züngeln gleich Feuerstößen über die Farbmattscheibe. Schon das Aufblitzen einer Armbanduhr kann das seltsame Phänomen auslösen. Ein Mädchen, das sich in einem Metall-Pailletten-Kleid von Paco Rabanne vor der Farb-Kamera bewegte, erschien auf dem Bildschirm als flammendes Fanal, wie ein buddhistischer Benzin-Mönch.
Und bei Farbübertragungen von einem Autorennen, so fanden die Techniker heraus, muß die Kamera exakt mit den vorüberhuschenden Silberpfeilen mitschwenken – wenn bei den Zuschauern am Heimbildschirm der Eindruck vermieden werden soll, die Wagen gingen einer nach dem anderen in Flammen auf. (…)
Um Irrlichter und Fehlfarben am Schirmbild zu vermeiden, müssen die Maskenbildner ebenso wie die Studio-Dekorateure auf allzu farbkräftige Ausstattung verzichten, aber auch auf reines Weiß Und tiefes Schwarz: Die beiden Un-Farben ergeben ‚Löcher‘ auf der Mattscheibe.
Ohne Pardon legen die Farbfernseh-Kosmetiker Hand ans Image der TV-Helden: Quizmeister Peter Frankenfeld soll in der Kolor-Ära eine hellere Gesichtsfarbe bekommen, seine buschigen Augenbrauen sollen schmalgezupft und seine Haupthaare stumpf gepudert werden.
Einen rosaroten oder bläulichen Anstrich wird das Gesicht des Ratespielleiters Hans-Joachim Kulenkampff erhalten. (…) Lou von Burgs kräftig durchblutete Gesichtshaut und seine Neigung zum Transpirieren standen wiederum der Forderung entgegen, daß beim Farbfernsehen die dicke Schminkauflage überaus bläßlich sein muß, wenn sich der Show-Star auf dem Bildschirm nicht zum Mohren wandeln soll.
Allen TV-Künstlern, die in farbigen Sendungen auftreten, wird es versagt bleiben, sich von der Sonne bräunen zu lassen. Wettergegerbte Haut kann vor der Kolor-Kamera selbst unter dicken Schminke-Schichten durchscheinen. Der Sender Freies Berlin versandte deshalb Warnschreiben an die Fernsehstars – versehentlich auch an den farbigen Sänger und Trompeter Billy Mo (…)“

