Goebbelsschnauze 

am 18. august 1933 präsentierten die nazis auf der funkausstellung in berlin den ersten VE301 – die beiden buchstaben standen für „volksempfänger“, die zahlen für den 30. januar 1933, das datum der machtübergabe an hitler und die nsdap. die rechnung ging auf: noch am selben abend waren die bis dahin produzierten 100000 geräte verkauft. verstaatlicht worden war der rundfunk schon 1932 unter franz von papen und der gleichschaltung des mediums stand nicht mehr viel im wege. bereits am 30. januar war der fackelzug der nazis zum reichstagsgebäude mit live-kommentierung, zwei tage später die erste rede hitlers übertragen worden und dem oberpropagandisten joseph goebbels längst klar, dass der rundfunk ein ideales medium zur beeinflussung der massen sein würde. 

nur waren radioapparate halt viel zu teuer für otto normalhörer. anfang 1933 gab es etwa vier millionen registrierte rundfunkteilnehmer; selbst wenn man familienmitglieder mitrechnete, erreichte das radio höchstens ein viertel der bevölkerung. kein wunder, kosteten die geräte doch zwischen 300 und 600 reichsmark und lag der bruttoverdienst bei durchschnittlich 200 rm. und so ließ „his master‘s voice“ das einsteigermodell des ve301 nun für 76 rm und batteriebetrieben für 65 rm verkaufen. das gehäuse war zwar aus billigem bakelit und die lautsprecherbespannung aus grobem stoff, es hatte nur zwei drehknöpfe für die senderwahl und die lautstärke und gerade mal drei röhren für empfang und verstärkung – aber das radio tat den dienst, den es tun sollte. die ausgegebene parole „ganz deutschland hört den führer mit dem volksempfänger“ war bald realität, und noch schneller die totale gleichschaltung des rundfunks. goebbels im juli 33: „der rundfunk ist vielleicht das mittel, das am entscheidendsten das volk beeinflusst (…) es wird für die staatspolitik von bleibendem wert sein, das ganze volk hundertprozentig für das nationalsozialistische regime zu erwärmen (…)“. 

goebbels ließ alle kritischen stimmen aus den sendeanstalten eliminieren und verdonnerte die 28 größten deutschen radiohersteller dazu, den volksempfänger in ihren werken baugleich produzieren zu lassen; die teilnehmerzahlen stiegen bis 1939 auf über zwölf millionen (1943 rund 16 mio, das waren fast 65 prozent der haushalte), auch weil der ab 1938 hergestellte und noch simplere „deutsche kleinempfänger“ – im volksmund „goebbelsschnauze“ – sogar nur noch 35 rm kostete. der rundfunk wurde so zu einem der effektivsten instrumente der machthaber und via radio gehetzt und gelogen, was die röhren hergaben. 

bereits am tag des überfalls auf polen (1.9.39) dachte sich goebbels ein neues gesetz aus, mit dem das abhören ausländischer sender und die verbreitung von nachrichten dieser sender im namen des „führers“ unter zuchthausstrafe gestellt wurde. von da an ging jedes radio mit einem entsprechenden roten warnschild in den verkauf.
schon vor dem krieg war radiohören ja oft die einzige möglichkeit, zu einigermaßen unabhängigen nachrichten zu kommen, etwa über bbc oder radio moskau (selbst wenn die empfangsqualität mit billiggeräten miserabel war). nun aber, und erst recht nach stalingrad, als die propaganda immer mehr verluste und niederlagen in siege umdichten und an das durchhaltevermögen und den opferwillen der deutschen appellieren musste, wurden die strafen für das abhören von „feindsendern“ drakonisch. wieviele todesurteile ns-richter dabei fällten lässt sich nicht mehr genau ermitteln, aber von 1939 bis 1941 zb. wurden 2704 personen wegen „rundfunkverbrechen“ verurteilt, und danach allein zwischen 200 und 440 „feindhörer“ pro monat festgenommen… 

die letzte großen nazi-lüge tönte am 1. mai 1945 um 22:26 uhr aus dem volksempfänger, als der reichssender hamburg verkündete, der „führer“ sei „heute nachmittag in seinem befehlsstand in der reichskanzlei bis zum letzten atemzuge gegen den bolschewismus kämpfend für deutschland gefallen“. joseph goebbels war da schon ein paar stunden tot. er hatte seiner frau und sich das leben genommen und seine sechs kindern umbringen lassen. ende.

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