wenn einer dichter werden will und wilhelm albert włodzimierz apolinary de wąż-kostrowicki heißt, hat er schlechte karten. mit 22 gibt sich der junge mann also ein hübsches pseudonym: guillaume apollinaire, und als der wird er der vater der modernen französischen poesie. auch wenn er eigentlich kein franzose ist. er wird in rom geboren, sein polnischer großvater ist beim vatikan beschäftigt und hat eine italienerin geheiratet; seine mutter, angelika kostrowicka wurde in der nähe von grodno (heute belarus) geboren, und war die geliebte eines adligen italienischen ex-offziers, der als sein vater gilt. der spätere guillaume apollinaire wächts italienisch-, polnisch und französischsprachig auf, geht in monaco, cannes und nizza zur schule und kommt 1899 mit seiner mutter nach paris. von seinen literarischen ambitionen kann er allerdings nicht leben. er jobt als ghostwriter, bankangestellter und ist kurzzeitig chefredakteur einer zeitschrift für geldanleger. in der übrigen bewegt er sich in avantgardistischen künstlerkreisen, freundet sich mit pablo picasso, george braque und alfred jarry an und schreibt: essays, romane, theaterstücke, kunstkritiken und gedichte. mit der zeit, so richtig aber erst nach seinem tod, werden die einen großen einfluss auf die entwicklung der dichtung und der modernen kunst haben. auf apollinaire gehen die begriffe „orphismus“, „kubismus“ und „surrealismus“ zurück, lange vor dada verfasst er „ideogramme“ bzw. „calligrammes“ (figurengedichte; siehe die bilder) und verzichtet in gedichten auf die interpunktion (ab 1912). apollinaire zieht als freiwilliger in den ersten weltkrieg, wird schwer verwundet und stirbt mit 38 jahren an der spanischen grippe. heute wäre sein 140. geburtstag. ein paar gedichte:
Das Dromedar
Mit seinem Dromedarquartett
zog Pedro d’Alfaroubeira
mit großen Augen durch die Welt.
Er tat das, was ich gerne tät’,
hätt‘ ich ein Dromedarquartett.
(Übersetzung: Bertram Kottmann)
Die Synagoge
Ottomar Scholem und Abraham Loeweren
Bedeckt mit grünen Filzhüten am Morgen des Sabbats
Gehen zur Synagoge entlang dem Rhein
Und seinen Hügeln wo die Reben erröten
Sie streiten und schrein was man zu übersetzen sich scheut
Bastard in der Regel gezeugt der Teufel hol deinen Vater
Der alte Rhein hebt sein feuchtes Haupt und wendet lachend sich zur Seite
Ottomar Scholem und Abraham Loeweren sind zornig heute
Weil man doch am Sabbat nicht rauchen darf
Während sich die Christen die Zigarre anzünden
Und dann lieben Ottomar und Abraham doch beide
Lia die mit den Schafsaugen und deren Bauch schon leicht wächst
Dennoch gleich in der Synagoge einer nach dem ändern
Werden sie die Thora küssen und ihre schönen Hüte lüften
Unter den Zweigen des Laubhüttenfestes
Und Ottomar lächelt freundlich beim Singen Abraham zu
Sie werden singen ohne Halt und die tiefen Männerstimmen
Werden Leviathan in der Tiefe des Rheins stöhnen lassen wie des Herbstes Stimmel
Und in der Synagoge voll von Hüten wird man sie bewegen zur Lulabim
Hanoten ne Kamoth bagoim tholahoth baleumim
Herbst
Im Dunst des Herbstes zieht mit krummen Beinen
Ein Bauer und sein Ochse. Nebel dringt
In arme Dörfer, die ganz schamhaft scheinen.
Und irgendwo des Wegs der Bauer singt
Ein Lied von Lieb und Treue, die verdarb,
Von einem Ring, von einem Herz, das brach.
O Herbst, du Zeit, an der der Sommer starb!
Zwei graue Schatten fliehn im Nebeltag.










