wer ab dem 25. september 1742 in frankreich fremde post öffnete, riskierte seinen kopf. an diesem tag hatte ludwig XV. eine order erlassen, in der er denen die todesstrafe androhte, die das briefgeheimnis verletzten, d.h. nicht an sie selbst adressierte briefe und pakete öffneten oder sich gegenständen daraus aneigneten.
in deutschen landen ging es nicht ganz so tödlich zu. erstmals erwähnt wurde das thema hier 1690 in der „josephinischen wahlkapitulation“ (die „capitulatio caesarea“ war ein vertrag, in dem ein kandidat zusagen für den fall seiner wahl machte), in der die verletzung des briefgeheimnisses mit stäupen (auspeitschen am pranger) und landesverweis bestraft wurde (es gab zu viele neugierige berittene boten). die preußische postordnung von 1712 wiederum drohte postbeamten „nur“ mit dienstentlassung und freiheitsstafen.
die meisten fürstenhäuser und städte hatten botenordnungen, die „das unterschlagen, erbrechen oder aushändigen in fremde hand“ von briefen schwer bestraften. denn es war gang und gäbe post abzufangen und zu öffnen. viele herrscher hatten „schwarze kammern“, an wichtigen postämtern eingerichtete stellen, wo auf ihre anordnung hin alle von einer person aus- oder eingehenden briefe im geheimen geöffnet, abgeschrieben, wieder verschlossen und in den postverkehr zurückgeleitet wurden. anfangs dienten die schwarzen kammern nur für staatszwecke. kuriere und postillone mussten die ihnen von privater seite übergebenen briefe auf für ihren könig schädliche nachrichten durchsehen. aufgelöst wurden die kammern in folge des politischen umbruchs in europa in den 1840er jahren und mit dem drängen der öffentlichen meinung nach einer unverletzlichkeit des briefgeheimnisses. danach wurde in beinahe allen ländern die gewährleistung des briefgeheimnisses in die grundrechte bzw. verfassung aufgenommen, im geeinigten deutschen reich 1871 vorerst nur in das postgesetz und 1919 dann auch in die reichsverfassung (bei gleichzeitiger einführung der briefzensur). im „dritten reich“ wurde das briefgeheimnis mit der reichstagsbrandverordnung am 28. februar 1933 „bis auf weiteres“ (d.h. bis 1945) wieder außer kraft gesetzt.
die bundesrepublik garantiert das briefgeheimnis durch art. 10GG und die bestrafung bei verletzung gemäß § 202 StGB (von geldstrafen bis zu freiheitsentzug bis zu 2 jahren, für postmitarbeiter bis zu 5 jahren). aber auch hier gibt es ausnahmen. postdienstleister dürfen sendungen öffnen, wenn sie beschädigt sind oder der empfänger nicht anders ermittelt werden kann; der zoll darf pakete öffnen, wenn illegaler inhalt vermutet wird oder die zollabgaben unterschlagen werden sollen; ein unternehmen darf post öffnen, auch wenn ein konkreter empfänger auf dem umschlag genannt ist (es sei denn, „vertraulich“ oder „persönlich“ steht dabei); der staat (d.h. de facto nur ein richter) kann das postgeheimnis einschränken, wenn rechtsstaat und demokratie bedroht sind oder es um hochverrat geht, und der verfassungsschutz, MAD und BND darf sendungen unter bestimmten bedingungen öffnen… auch in den ersten jahrzehnten der bundesrepublik wurden privatbriefe gelesen und ausgewertet, in aller regel waren das sendungen aus der ddr, die als kommunistische propaganda angesehen wurden. bis 1968 sollen das hier ca. 0,5% der auslandsbriefe gewesen sein, die aufgrund besatzungsrecht in US-verantwortung kontrolliert oder gar vernichtet wurden; und dann kamen bekanntlich die notstandsgesetze…
und in der guten alten ddr gab es formal einen paragrafen 135 im strafgesetzbuch, der die verletzung des briefgeheimnisses ebenso unter strafe stellte. die stasi kontrollierte dennoch systematisch jede postsendung aus dem westlichen ausland und dorthin, gern aber auch inlandspost und die in und aus sozialistischen ländern. die abteilung „M“, die erich mielke direkt unterstellt war, arbeitete mit der post zusammen und hatte dort ddr-weit die tarnbezeichnung abteilung bzw. dienstelle „12“. die stasi-leute (am ende der ddr hatte der sektor 2200 mitarbeiter) machten nicht nur kopien und übersetzungen, die dann gegen regimekritiker benutzt wurden, sie klauten auch im auftrag ihrer herren unmengen von bargeld aus den briefen und stellten sonstige werte wie weihnachtspakete o.ä. „sicher“…
und hätt ich mit 13 gewußt, dass sie meine grundrechte schwerstens verletzt, hätte ich mir eine hübsche strafe für meine meine mutter ausgedacht, für die galt das briefgeheimnis nämlich auch nicht:)

