Erinnern an Marianne Cohn

marianne cohn, am 17.9.1922 in mannheim geboren, emigrierte mit ihrer familie 1934 von berlin aus nach frankreich. sie betreute kinder in einer zionistischen jugendorganisation und schloss sich der widerstandsgruppe „organisation juive de combat“ an. am 31. mai 1944 versuchte sie 28 jüdische kinder, die deportiert werden sollten, vom besetzten lyon aus in die schweiz zu bringen. kurz vor der grenze wurde die gruppe vom deutschen zollgrenzschutz erwischt und in das gefängnis in annemasse eingeliefert. der bürgermeister des ortes, jean deffaugt, bot marianne an, ihr allein zur flucht zu verhelfen. sie lehnte ab. 
am 8. juli 44 wurde die 22-jährige in einem wald bei ville-la-frand auf grauenhafte weise zu tode gebracht. mit ihr starben fünf weitere gefangene, die verdächtigt wurden, der résistance anzugehören. die kinder konnten mit hilfe deffaugts und einer resistance-gruppe in sicherheit gebracht werden. was von marianne übrig war, fand man bei der befreiung des ortes im august unter einem leichenhaufen…
schon 1962 hatte simon wiesenthal die deutsche justiz auf diesen fall aufmerksam gemacht und eine erklärung des bürgermeisters von annemasse vorgelegt: er beschrieb die tatumstände, nannte einen gestapochef meyer und bezeugte die exhumierung der toten. kurz darauf gaben überlebende in israel auf ersuchen der deutschen justiz zu protokoll, dass sie marianne identifiziert hatten und einer konnte eine genaue beschreibung des offiziers geben, der ihn verhört hatte; dieser sei von anderen „mayer“ genannt worden. 
weil keinerlei reaktion erfolgte, hakte israel 1968 noch einmal nach. der zuständige oberstaatsanwalt erklärte, es habe nach seinen erkenntnissen in annemasse weder einen gestapochef meyer noch ein sipo-kommando gegeben. man überprüfte zwar noch ein paar meyers, aber mitte der 70er-jahre wurden die untersuchungen eingestellt. obwohl ein beschuldigter in einer anderen sache 1976 ausgesagt hatte, dass er 1943 von der sipo in lyon zum grenzpolizei-kommissariat in annemasse abkommandiert worden war. 
1979 sagten dann zwei ex-angehörige des 2.ss-polizeiregiments 19 (das als „HSSPF alpenland“ auf dem balkan bereits unter den zivilisten gewütet hatte, bevor es 1944 in den raum grenoble verlegt wurde) aus, dass 25 junge französische juden beim versuch, die grenze zu überqueren, in annemasse festgenommen worden waren und chef des SD dort ein meyer aus münchen gewesen sei. nachdem weitere zeugen diese angaben bestätigt hatten, korrigierte der nun zuständige oberstaatsanwalt 1981 den sachstand: es hatte eine dienststelle des sd und der gestapo gegeben und am 8.7.44 hätten ein mansholt und ein pilz auf befehl ihres vorgesetzten friedrich meyer sechs französische gefangene, darunter marianne, in den wald gebracht und diese unter mitwirkung eines kollibays, eines rogenstein und weiterer nicht namentlich ermittelter angehöriger des o.g. regiments, erschossen oder erschlagen. alle angeführten täter waren inzwischen verstorben oder wurden für unbekannt erklärt. das verfahren wurde eingestellt… 
2004 veröffentlichte das simon wiesenthal center drei fotos, die die resistance bei deutschen soldaten gefunden hatte. zu sehen sind vier feixende uniformierte, die eine noch lebenden frau niederdrücken und sie mit einem scharfen gegenstand penetrieren. die annahme, dass es sich um marianne cohn handelt, beruht auf der aussage der zeugen, die ihre kleidung und ihre schuhe bei der exhumierung wiedererkannt hatten. die fotos brachten trotz der gut erkennbaren gesichter der täter und obwohl ihre uniformen dem o.g. regiment zugeordnet werden konnten, keine hinweise, die die justiz zur wiederaufnahme des verfahrens hätten veranlassen können…
marianne cohn hat kurz vor ihrer ermordung im gefängnis ein gedicht geschrieben -„ich werde morgen verraten, nicht heute“ -, das erhalten geblieben ist:

je trahirai demain, pas aujourd’hui
aujourd’hui, arrachez-moi les ongles
je ne trahirai pas!
vous ne savez pas le bout de mon courage.
moi, je sais.
vous êtes cinq mains dures avec des bagues.
vous avez aux pieds des chaussures avec des clous.
je trahirai demain. pas aujourd’hui, 
demain.
il me faut la nuit pour me résoudre.
il ne me faut pas moins d’une nuit
pour renier, pour abjurer, pour trahir.
pour renier mes amis,
pour abjurer le pain et le vin,
pour trahir la vie,
pour mourir.
je trahirai demain. pas aujourd’hui.
la lime est sous le carreau,
la lime n’est pas pour le bourreau,
la lime n’est pas pour le barreau,
le lime est pour mon poignet.
aujourd’hui, je n’ai rien à dire.
je trahirai demain.

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