kaum einer hat das berliner theater mehr vorangetrieben als er: maximilian goldmann. geboren am 8.9.1873 in baden bei wien. das erste von sieben kindern des miederwarenhändlers wilhelm goldmann aus stampfen (damals zu ungarn gehörend) und seiner frau rachel lea rosi wengraf aus nikolsburg in mähren, die in den 1860er-jahren aus pressburg nach wien gezogen waren. dass die ganze familie später den namen „reinhardt“ annimmt und die eltern nicht in wien bleiben, sondern nach berlin ziehen und dann auch hier auf dem jüdischen friedhof weißensee beerdigt werden, liegt an ihrem umtriebigen ältesten…
maximilian goldmann, inzwischen „max reinhardt“, lebt seit 1894 (meist) in berlin, erst als schauspieler, dann als regisseur und als theatergründer oder/und -direktor der wichtigsten berliner bühnen: kleinkunstbühne schall und rauch, deutsches theater, kammerspiele, volksbühne, großes schauspielhaus, komödie am kurfürstendamm; dazu die schauspielschule berlin, die salzburger festspiele, das theater in der josefstadt, das max reinhardt seminar in wien…
reinhardt lehrt eine neue schauspielkunst und fördert talente, so die späteren theater- und filmstars hans albers, albert bassermann, ernst deutsch, tilla durieux, o.w. fischer, attila hörbiger, fritz kortner, peter lorre, alexander moissi, hans moser, otto preminger, luise rainer, oskar sima, camilla spira, paula wessely…
trotz ständiger zensurandrohungen bringt reinhardt stücke von sternheim oder wedekind auf die bühne, sorgt dafür, dass zuckmayer und brecht als dramaturgen eingesetzt werden, verlegt als erster klassische stücke in die gegenwart, und gibt dem bühnenraum als regisseur eine ganz neue dimension und tiefe; er nutzt als erster die drehbühne dramaturgisch (1905 im „sommernachtstraum“), dazu treppen, podien, indirekte beleuchtung und plastische dekorationen, führt massenchöre und großrauminszenierungen ein und als gegenstück das kammerspiel…
es ließe sich unendlich viel zu max reinhardt sagen, und viel hätte noch werden können. doch dann ist „1933“. und da wollen sie den juden nicht mehr. ganz zu anfang wird dem theatermann noch die „ehrenarierschaft“ angeboten. reinhardt ist empört: „wenn ich mir meine großmutter hätte aussuchen können, ich hätte gewiss nicht die unselige schickelgruberin, sondern die alte gute gescheite jüdin ausgesucht, die gott mir beschieden hat, und die mir gott sei dank beschieden war“ (pessl „pepi“ wengraf, geb. goldschmidt, die oma mütterlicherseits).
am 3. april 33 entzieht das kultusministerium reinhardt die leitung des deutschen theaters, dann werden die reinhardt-theater enteignet. die ns-kritik geifert ihm und der vermeintlich jüdischen presse hinterher: „’professor‘ reinhardt (eigentlich jud goldmann) beherrschte zeitweilig als theater-hohepriester nicht weniger als vier theater in berlin…. getaugt haben sie unter ihm alle nichts. seine minderwertige und seelenlose kunst wurde von der jüdischen presse mit leidenschaft dem volke aufgeredet.“
max reinhardt verläßt berlin. „an die nationalsozialistische regierung deutschlands“ schreibt er am 16. juni aus oxford noch einen brief: „…meine arbeit auf der bühne ist mir immer die wesentlichste aufgabe gewesen. ich habe alle ursache anzunehmen, daß ich mit meiner tätigkeit dem theater auch in schwerer zeit hätte entscheidend helfen können. das neue deutschland wünscht jedoch angehörige der jüdischen rasse, zu der ich mich uneingeschränkt bekenne, in keiner einflussreichen stellung. ich könnte aber auch, selbst wenn diese geduldet würde, in solcher duldung niemals die atmosphäre finden, die meiner arbeit notwendig ist… der entschluss, mich endgültig vom deutschen theater zu lösen, fällt mit naturgemäß nicht leicht. ich verliere mit diesem besitz nicht nur die frucht einer siebenunddreißigjährigen tätigkeit, ich verliere vielmehr den boden, den ich ein leben lang bebaut habe und in dem ich selbst gewachsen bin. ich verliere meine heimat. was das bedeutet, brauche ich denen nicht zu sagen, die diesen begriff über alles stellen…“
nach anfänglichen erfolgen in amerika stirbt reinhardt am 31.10.1943 nach mehreren schlaganfällen im hotel gladston in new york; was er noch hatte, reicht nicht einmal für die hotelrechnung. die bezahlt sein musikerfreund erich korngold.
foto 1911, zeichnung kokoschka 1919

