Medienzar und Wohltäter


rudolf mosse hat die berliner zeitungslandschaft geprägt. er wurde 1843 als sechstes von 14 kindern des arztes dr. markus mosse und seiner frau ulrike in grätz bei posen geboren. er kam mit 17 als buchhändlerlehrling nach berlin, gründete 1867 in der friedrichstraße 60/ecke leipziger ein „annoncen-büro“ und 1871 in der neuen friedrichstraße 66 (heute littenstraße) ein druck- und verlagshaus, mit einer weiteren geschäftsidee: mosse pachtete die werbungsteile einzelner periodika, um sie komplett mit anzeigen seiner vermittlung füllen zu können und bot seinen kunden die kostenlose grafische gestaltung ihrer annoncen an, die nun nicht mehr langweilig als bleiwüsten daherkamen, sondern in verschiedenen schrifttypen, mit zeichnungen und flotten werbesprüchen. bald verfügte sein unternehmen über 250 filialen von prag bis london. 
sukzessive erweiterte mosse sein imperium, in dem er zeitungen kaufte oder gründete: 1872 das liberale berliner tageblatt (als konkurrenz zur „vossischen zeitung“), 1881 das deutsche reichsblatt, 1889 die berliner morgen-zeitung, 1890 die allgemeine zeitung des judentums, 1904 die berliner volks-zeitung und insgesamt 130 fachzeitschriften… dies immer in konkurrenz zu den beiden anderen platzhirschen – dem liberalen ullstein- und dem erzkonservativen hugenberg-konzern. rudolf mosse war zwar kaisertreu, liberal-konservativ und sprach das bürgertum an, doch die weltanschauliche linie des unternehmens wurde von seinem cousin theodor wolff geprägt, der ab 1906 chefredakteur des berliner tageblatts war und eine dezidiert demokratische, auf verständigung mit frankreich und eine integration der juden ausgerichtete politik verfolgte (theodor wolff starb 1943 im kz sachsenhausen).
seit 1885 hatte rudolf mosse im „mosse-palais“ am leipziger platz residiert (im krieg zerstört, 1989 neu gebaut). als sein verlag so richtig zu boomen begann, ließ er 1900 in der schützen/jerusalemer straße von den architekten wilhelm cremer und richard wolffenstein ein komplett neues verlagshaus – ein mix aus neobarock und jugendstil – errichten, das mit den modernsten druckmaschinen ausgestattet war und im auftrag seines schwiegersohns ab 1920 von erich mendelsohn im stil der neuen klassischen moderne umgebaut wurde (das heutige „mosse-haus“, das nach den kriegsschäden in der ddr-zeit stark vereinfacht wiederaufgebaut wurde).
aber rudolf mosse machte sich nicht nur als verleger und bauherr einen namen. er und seine frau emilie, die mitglieder der berliner jüdischen reformgemeinde waren, hatten eine ausgeprägte soziale ader. sie stifteten stipendien und unterstützten museen, kunstvereine und bedürftige künstler. 1892 ließ der zeitungszar ein krankenhaus in grätz bauen und richtete für seine 500 berliner angestellten eine pensionskasse ein, die er mit 100.000 mark kapital und zu einem jubiläum seiner druckerei mit weiteren 200.000 mark ausstattete. 1893 stiftete das ehepaar die “mosse’sche erziehungsanstalt für knaben und mädchen zu deutsch-wilmersdorf bei berlin”. das dazu in der sodener straße errichtete gebäude nahm 100 christliche und jüdische kinder des verarmten mittelstandes auf und schloss damit eine lücke in der öffentlichen armenpflege (heute wird das haus vom bezirk für seine jugendeinrichtungen genutzt). 1894 gründete emilie mosse den „verein mädchenhort“ zur betreuung von mädchen, die wegen der berufstätigkeit ihrer mütter sonst unbeaufsichtigt geblieben wären. und zu seinem 70. geburtstag spendierte mosse 1,7 millionen mark für verschiedene zwecke. zum dank benannte die stadt 1920 im prenzlauer berg eine straße nach ihm (die lag dort, wo sich heute der sportpark befindet, der nach dem antisemiten „turnvater“ jahn benannt ist). 
wenig später, am 8. september 1920, starb rudolf mosse. sein schwiegersohn übernahm die führung des konzerns. nach 1933 arisierten und zerschlugen die nationalsozialisten mosses imperium, das schon in der inflationszeit schwer gelitten hatte, und versteigerten seine riesige kunstsammlung (vor allem deutsche impressionisten und altägyptische kunst).

Hinterlasse einen Kommentar