Papa Paul und die braunen Mädels

frau luna… nimm mich mit in dein kämmerlein… schenk‘ mir doch ein kleines bißchen liebe… bis früh um fünfe, kleine maus… das macht die berliner luft… – die operetten und ohrwürmer kannte jeder. paul lincke war der deutsche jaques offenbach oder mindestens der andré rieu der kaiserzeit, der weimarer zeit… und der nazizeit. nachdem 1933ff alle seine jüdischen liberettisten wie benno jacobson und kollegen wie friedrich hollaender „weg“ waren, muss es paul lincke schrecklich einsam auf seinem operetten-olymp geworden sein. ihm blieb quasi nichts anderes übrig als sich zwei hitler-bilder übers klavier zu hängen, im vorstand der „kameradschaft der deutschen künstler“ zu sitzen, ehrenpräsident des „berufsstandes der deutschen komponisten“ zu werden, mit magda goebbels skat zu spielen, sich vor ihrem gatten in adolfs auftrag mit goethe-medaille und ehrenbürgerschaft dekorieren zu lassen, an reichskulturverwalter hans hinkel (an „hansi“) süße briefe (von „papa paul“) zu schreiben, die jüdischen texter seiner früheren lieder aus neudrucken tilgen zu lassen, seine tantiemen zu verdreifachen und aufmunternde märsche zu komponieren: „unsere braunen jungens“, „unsere braunen mädels“, „deutsche soldaten“, „deutschland muss siegen“…

ironie off. vermutlich war paul lincke nicht viel mehr als ein opportunist, mitläufer und wegseher, so wie beinahe alle im ns-kulturbetrieb. ein armes würstchen, das es noch mal wissen wollte, als sein ruhm zu verblassen begann. dass ausgerechnet leute wie udo lindenberg, wolfgang niedecken, helge schneider, silbermond, max raabe, annette humpe oder die fantastischen vier sich ohne jeden mucks einen „paul-lincke-ring“ aufstecken lassen, den die stadt goslar (in deren nähe lincke gestorben ist) jedes jahr zu seinen ehren an verdienstvolle u-musiker vergibt, stößt mir trotzdem etwas bitter auf.

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