Aktenzeichen XY

Am 7. november 1938 wurde die fernsehfandung erfunden. von keinem geringeren als ernst gennat, dem „buddha vom alexanderplatz“ (siehe fritz lang „m – eine stadt sucht einen mörder“, siehe volker kutscher „babylon berlin“). um 20 uhr ging die mordinspektion zum ersten mal auf sendung. gesucht wurde der mörder eines taxifahrers, der seinen mantel bei der flucht verloren hatte. die einschaltquote in den berliner sog. „fernsehstuben“ lag bei fast 100%, als die kripo-beamten um hinweise zu dem besitzer des mantels baten. am nächsten tag erschien tatsächlich ein versicherungsvertreter bei der kripo und überführte einen ex-mitarbeiter als besitzer des mantels… vom erfolg angespornt (zuvor war es üblich gewesen, plakate mit details zum tathergang in der nähe des tatorts zu verteilen), gab es bereits einen tag später den nächsten aufruf in bewegten bildern: diesmal wurde der mörder einer prostituierten gesucht (und gefunden). eine neue fahndungsmethode war geboren.
der mann hinter allem: der berühmteste kriminalist, den berlin je hatte. ernst gennat (1880–1939) hatte als sohn des oberinspektors der haftanstalt plötzensee und bruder eines staatsanwalts schon von klein an mit schweren jungs zu tun. 1904 ging er in den polizeidienst, 1905 wurde er kriminalkommissar in der „burg“, dem berliner polizeipräsidium. eine eigene mordinspektion gab es da noch nicht. die wurde erst 1926 fest installiert, ebenfalls von ernst gennat.
gennat steht für revolutionäres in der ermittlungsarbeit: für „profiling“, bevor es den begriff gab, für genaue spurensicherung, für ein eigens konstruiertes „mordauto“ (das mit diverser büro- und kriminaltechnik bestückt war), für den vorrang von prävention gegenüber der aufklärung von verbrechen, für die erste zentralkartei für kapitalverbrechen, mord und ungeklärte todesfälle, für subtile verhöre ohne gewaltanwendung („wer mir einen beschuldigten anfaßt, fliegt! unsere waffen sind gehirn und nerven!“). 
seine zentrale mordinspektion (aufklärungsquote 95%) und seine methoden waren vorbild für andere städte und das ausland (selbst edgar wallace und scotland yard ließen sich beraten). 
bei berlinern und ganoven gleichermaßen berühmt (es gab sogar ernst-gennat-postkarten) war er aber vor allem für seinen humor, sein elephanten-gedächtnis, sein humanes wesen, sein einfühlungsvermögen („dem haben wir sachen erzählt, die wollten wir ihm gar nicht erzählen“, so ein knacki), und für seine figur. „der buddha“ aka „der volle ernst“ kam mit der zeit auf 135 kg lebendgewicht, dank eines fast unstillbaren bedürfnisses nach kuchen (am liebsten mit stachelbeeren), den ihm seine sekretärin gertrud steiner bei tag und nacht stillte, die selber wiederum fleischwaren zugetan war und „bockwurst-trudchen“ genannt wurde. legendär war auch sein vollgequalmtes büro im ersten stock der „burg: zwei grüne plüschsessel, ein grünes sofa, daneben eine axt, mit der jemand umgebracht und im regal ein präparierter frauenkopf, der aus der spree gefischt worden war und dem kettenraucher gennat als zigarettenspender diente, an den wänden fotos diverser mörder und opfer und ein großer pharus-plan von berlin. ein teil seines nachlasses liegt in der polizeihistorischen sammlung berlin. (aber udo samel muss noch ein bisschen zunehmen!)

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