Frieda Fromm-Reichmann 

erich fromm kennt man, die frau, mit der er verheiratet war – eine pionierin der analytisch orientierten therapie von psychosen – weniger…

frieda, die tochter von klara simon und adolf reichmann kam genau neun monate nach der hochzeit ihrer eltern am 23. oktober 1889 in karlsruhe zur welt. die reichmanns waren jüdisch-orthodox, musik- und literaturliebend und stark von den werten und traditionen von adolfs großvater seligman feuchtwanger beeinflusst, einem silberhändler, dessen frau, fannie wasserman ihm achtzehn kinder geboren hatte und der immer, wenn er genug geld für den lebensunterhalt der familie verdient hatte, seinen laden schloss und lieber talmud lernte. das soziale miteinander in der großfamilie (adolf r. war eins von 93 enkelkindern) dürfte auch friedas späteres denken beeinflusst haben. ihr vater, erst eisenhändler, später personalchef einer bank (er war ertaubt und starb 1924, nachdem er in einen aufzugschacht gefallen war) und ihre kluge mutter, eine ausgebildetet lehrerin und schwester der solzialreformerin helene simon, fördeten ihre älteste tochter besonders. gymnasien waren damals, in königsberg, wo die reichmanns inzwischen lebten, für mädchen nicht zugänglich. doch klara schaffte es, ihre tochter soweit ausbilden zu lassen, dass sie mit 17 die universitätsprüfung bestand und eine der ersten medizinstudentinnen wurde. sie begann psychiatrische kurse zu belegen und neurologie bei kurt goldstein zu studieren, der sich mit hirnverletzungen befasste. als seine assistentin behandelte frieda im ersten weltkrieg gehirnverletzte deutsche soldaten (inoffiziell, denn die armee beschäftigte keine frauen) und forschte zur physiologie und pathologie der gehirnfunktionen. nach ende des krieges arbeitete sie in frankfurt, im sanatorium „weißer hirsch“ in dresden und in berlin. in dieser zeit studierte reichmann die arbeit von sigmund freud bei karl abraham und max eitingon und lernte autogenes training als entspannungstechnik einzusetzen. in heidelberg eröffnte sie dann ein privates sanatorium (aufgrund der jüdisch-orthodoxen ausrichtung auch „thorapeuticum“ genannt), in der sie auch psychotische patienten behandelte. und lernte über goldie ginsburg erich fromm kennen, der elf jahre jünger war und ihr analysand wurde. die beiden verliebten sich im laufe der analyse ineinander. sie tickten ähnlich und begannen sich mit linksgerichteten therapeuten wie ernst simmel, wilhelm reich, edith jacobson und otto fenichel zu verbinden und nach „einer brücke zwischen marx und freud“ zu suchen. dazu gehörte, dass fromm und reichmann versuchten, die jüdische identität und die psychische gesundheit ihrer jüdischen patienten quasi-sozialistisch zu fördern. und dass sie nicht nur wohlhabende behandeln wollten. reichmann später: „wir haben menschen als entschädigung für ihre arbeit analysiert. ich habe die haushälterin analysiert, ich habe den koch analysiert. sie können sich vorstellen, was passiert ist, wenn sie sich in einer phase des widerstands befanden! es war eine wilde angelegenheit … erich und ich hatten eine affäre. wir waren nicht verheiratet und niemand sollte davon wissen und eigentlich wusste es auch niemand.“ irgendwann dann wohl doch. spätestens als fromm und reichmann 1926 heirateten (die ehe hielt nur ein paar jahre, sie wurde 1942 in den usa geschieden, reichmann soll für fromm eindeutig eine mutterfigur gewesen sein, aber beiden blieben zeitlebens sowohl fachlich als auch freundschaftlich miteinander verbunden). sie gehörten dann zu den gründungsmitgliedern des frankfurter psychoanalytische instituts und frieda eröffnete noch eine privatpraxis in der mönchshofstraße 15 in berlin. nach der machtübergabe an hitler musste sie die praxis aufgeben und verließ nazideutschland im juli 1933, erst nach frankreich, dann nach palästina, endlich 1935 in die usa. sie arbeitete und lehrte bis zu ihrem tod 1957 am chestnut lodge hospital in rockville, maryland.

frieda fromm-reichmann gilt als pionierin in der therapie der schizophrenie und als eine prägende gestalt der neopsychoanalyse. wegweisend an ihrer arbeit war, dass sie über freud hinausging, der patienten, die an schizophrenie, manisch-depressiven bipolaren störungen oder psychotischen depressionen litten, für nichttherapierbar hielt (weil diese patienten keine übertragungsbeziehung eingehen könnten) und über die ansichten der traditionellen psychiatrie, für die schizophrenie genetisch bedingt und unheilbar war. fromm-reichmann verortete die ursache von psychosen bei psychosozialen faktoren im familiären umfeld, insbesondere der frühen mutter-kind-beziehung, wies auf die bedeutung der einsamkeit für die entwicklung psychischer störungen hin und stellte ihr die arzt-patient-beziehung als heilende zwischenmenschliche begegnung gegenüber. sie war der ansicht, dass eine therapie nur gelingen kann, wenn der therapeut an die möglichkeit psychischer veränderung bei sich selbst und bei anderen glaubt und den patienten zur selbstverwirklichung befähigt, in dem er allgemeine werte wie liebes- und arbeitsfähigkeit vermittelt, der dynamik seiner ängste auf den grund geht und ihn befähigt, die psychosen in sein leben zu  integrieren. dazu verwarf sie die von freud geforderte distanziertheit des analytikers und verlangte von therapeuten eine einfühlende, akzeptierende haltung, arbeitete in der therapie ohne couch und dem patienten zugewandt und legte wert auf höchste aufmerksamkeit, aufrichtigkeit, geduld, respekt und einfühlungsvermögen. erfolgreich, wie ihre patienten zeigten.

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