Lockenmacher

am 8. oktober 1906 stellt karl ludwig nessler die erste elektrisch betriebene dauerwellenapparatur vor… darauf hatte die welt gewartet. frauen wollten anscheinend schon immer etwas anderes auf dem kopf haben, als das, was ihnen die natur gegeben hat. archäologen haben 5100 jahre alte tonwickler gefunden, die alten ägypter(innen) benutzten schlamm, um ihre haare „umzubauen“, die griech(inn)en hohlstäbe aus bronze, und die römer erfanden um 600 v.u.z. die erste verformungsvariante nach dem wärmeprinzip; als brenneisen benutzten sie ein calamistrum genanntes rohr, in das ein heißer stab geschoben wurde.
haare dauerhafter umzuformen, gelang erst viel später, im 18. jh., als tüftler perückenhaare mit einer relativ haltbaren krause versahen, indem sie die haare um sogenannte kraushölzer wickelten und etwa acht stunden in einer alkalischen lauge aus soda oder borax mit glyzerin kochten. am lebendigen objekt ging das natürlich nicht. aber 1872 entwickelte ein marcel grateau die wasserwelle, bei der das haar mittels einer aufgeheiz­ten lockenschere verformt wurde. bei hoher luftfeuchtigkeit oder spätestens nach der ersten haarwäsche gab diese frisur aber auch den geist auf.
und dann kam also karl ludwig nessler aus dem schwarzwaldstädtchen todtnau. die idee für die dauerwelle soll ihm angeblich schon als kind beim schafehüten gekommen sein, als ihm auffiel, dass schafe dauerhaft locken haben. er ging bei barbieren in der schweiz und in frankreich in die lehre, nannte sich von da an charles nessler oder charles nestle und lernte in paris die ulmerin katharina laible kennen, die seine frau und sein versuchskaninchen wurde. das paar zog nach london und nessler probierte alle seine erfindungen zuerst an katharina aus, künstliche augenbrauen und wimpern, und dann die dauerwelle. die prozedur, die nessler sich ausgedacht hatte, dauerte anfangs fünf stunden, bei der die gattin etliche brandblasen und verätzungen davon trug und einige büschel haare verlor. bis die methode ausgereift war und die wellen blieben. dergestalt, dass der friseur einzelne haarsträhnen abteilte, die haarspitzen erst mit einer alkalischen borax-lösung tränkte, dann spiralförmig auf metallstäbe aufwickelte und anschließend die stäbe mit einer selbstgebauten zange, einer art waffeleisen, auf 100 bis 200 grad erhitzte (später erfand er noch heiztuben, die die behandlung etwas vereinfachten).
als nessler den „leading hairdressers“ in london 1906 seine erfindung vorführte, waren die wenig begeistert. sie hatten angst, ihre eigenen kundinnen zu verlieren. und so kam es. denn die rannten nun in london und in der pariser dependance dem nessler den salon ein. der ließ sich daraufhin die „permanent wave machine“ patentieren und als die briten den deutschen zu beginn des ersten weltkriegs als „feindlichen ausländer“ rausschmissen, ging er nach new york und verwandelte noch weitere zwei jahrzehnte lang von ost- bis westküste scharenweise glatthaarige in gewellte und gelockte amerikanerinnen.

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