Ottla, die Lieblingsschwester

29. oktober 1892. geburtstag der lieblingsschwester franz kafkas. franz war neun jahre älter als ottilie. trotzdem stand er der jüngsten seiner drei schwestern bei weitem am nächsten und die ihm. sie bot dem strengen vater paroli, war eigensinnig und stark, trieb sport usw. franz und ottla waren trotz ihrer großen unterschiedlichkeit vertraute und verbündete. sie schrieben einander schon als jugendliche, hier noch von zimmer zu zimmer („mit ottla lebe ich in kleiner guter ehe“) und deckten einander. auch wenn er eifersüchtig auf ihr treiben war. zu ihrer offenen menschenfreundlichen art gehörte es, regelmäßig den bewohnern einer blindenheims vorzulesen (und franz malte sich aus, wie die blinden an seiner schwester herumfummeln: „und dieses groß starke, von mir leider, wenn auch ohne schuld, vom richtigen weg abgelenkte mädchen nennt das ihr höchstes glück.“)
unter seinem einfluss begann ottla sich für die zionistische bewegung zu interessieren, trat dem „klub jüdischer frauen und mädchen“ bei und als sie sich während des ersten weltkriegs entschloss, ein kleines gut in dem westböhmischen dorf zürau zu übernehmen, das der familie ihres schwagers gehörte, unterstützte ihr bruder sie dabei, diese entscheidung gegen den widerstand des vaters durchzusetzen. ein halbes jahr lang lebte dann auch der lungenkranke franz bei ihr, der sich von der landluft besserung versprach. 1919 kehrte ottla nach prag zurück und heiratete im jahr darauf den katholischen tschechen josef david, einen kollegen ihres bruders bei der arbeiter-unfallversicherung, wieder gegen den willen ihres vaters. sie bekamen zwei töchter, vera und helena, hatten ansonsten aber nicht viel gemeinsam. ottla besuchte ihren bruder in berlin, er beichtete ihr seinen liebeskummer und sie schrieb sich mit ihm bis zu seinem tod 1924. sie war, kann man sagen, wohl die beständigste frauenbeziehnung in kafkas leben.
ihr ehemann ließ sich von ihr scheiden, als ihm die einweisung in ein „lager für judisch versippte“ drohte. damit war auch der schutz ottlas vorbei. sie wurde nach theresienstadt deportiert, wo sie als fürsorgerin in einem säuglingsheim arbeitete und hoffte (so in briefen an an ihre töchter), dass sie in einer austauschaktion von kindern aus dem ghetto bialystok, die sie in die schweiz oder nach schweden begleiten sollt, freikommen würde. stattdessen begleitete ottla mit 52 weiteren pflegerInnen als freiwillige helferin eine gruppe von kindern nach auschwitz, wo sie im oktober 1943 ermordet wurde.
franz’ zwei anderen schwestern, elli und ihre tochter sowie valli und ihr mann, waren bereits 1941 in das ghetto lietzmannstadt deportiert worden. sie starben 1942 im vernichtungslager kulmhof.
was von ottla kafka geblieben ist, sind vor allem briefe und postkarten, die zwischen ihr und franz hin und hergingen (zuerst erschienen 1974 bei wagenbach).

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