Arzt und Aufklärer

marcus herz (1747–1803). der berliner professor, arzt, philosoph und aufklärer, sohn eines einfachen toraschreibers, wurde berühmt für sein offenes haus, in dem er naturwissenschaftliche und philosophische vortragsabende veranstaltete und den seine frau henriette (die ihn klein und häßlich, aber auch geistreich und humorvoll fand und deren ausbildung er gefördert hatte), zum bekanntesten literarischen berliner salon ausbaute.  marcus herz war berühmt für seine unermüdliche patientenbetreuung und die neue sicht auf die medizin. er betrachtete bereits psychologie und medizin, seele und krankheit als miteinander zusammenhängend, befasste sich u.a. damit, wie man krankheiten am besten vorbeugen könnte und verfasste medizinische schriften. herz leitete das jüdische krankenhaus, war der hausarzt moses mendelssohns (neben dem er auch begraben wurde), ein lebenslanger freund und vertrauter immanuel kants (bei dem er in königsberg studiert hatte) und wurde von friedrich wilhelm zum professor für philosophie ernannt (die aufnahme in die akademie der wissenschaften scheiterte indes an seiner jüdischen religionszugehörigkeit).  die bedeutung, die marcus herz für seine zeitgenossen hatte, mag man an diesem nekrolog des lyrikers und preußischen staatsbeamten leopold friedrich günther von goeckingks für den mit 56 jahren verstorbenen ermessen:

Tausenden, (und auch mir!) hat er das Leben verlängert,
Nur das seinige hat leider! sein Eifer verkürzt.
Und doch hätt‹ er so gern sich länger des Lebens gefreuet;
Aber federleicht wog es ihm gegen die Pflicht.
Lauschend mit spähendem Blick‹, erforscht‹ an der dunkelen Werkstatt
Der Natur, sein Geist ihre verheimlichte Kraft.
Hofft‹ er, irgend den Kreis des menschlichen Wissens und Wohlseyns
Noch erweitert zu sehn, um eine Linie nur:
Wie erheiterte sich sein Auge! Wie freut‹ er der Nachwelt
Glückes, sich im voraus, gleich als genöß‹ er es selbst.
Eine Gattin war sein, mit immer noch blühenden Reitzen,
Hatte der Lenze sie gleich zwanzig schon mit ihm verlebt.
Doch es konnt‹ ihr Reitz im ersten Frühlinge schwinden,
Klein war dieser Verlust, blieb ihr der schönere Geist,
Blieb der zarte Scherz nur immer in ihrem Gefolge,
Und lebendig der Wunsch, heiter den Gatten zu sehn,
Und der bescheidene Sinn, der alle Tugenden hebet,
Wie der Puder den Grund einer Aurikel verschönt.
Welch ein liebender Kreis von weisen Freunden umgab ihn!
Jeder schätzte den Arzt, Denker und Spötter* in ihm;
Aber alle noch mehr den Mann, deß Leben ein Einklang
Süßerer Töne war, als sie die Stoa noch gab.
Gleich den Weisen Athens liebt‹ er die fröhlichen Zirkel;
Seine Sorgen allein blieben im Herzen versteckt;
Alles opfert‹ er sonst auf dem Altare der Freundschaft,
Seinen Witz und Wein, seine Erfahrungen gern.
Von den Pfeilen, geschnellt von fremden Bogen, ging keiner
Je verloren für ihn; wie er behende sie fing!
Und wie schickt‹ er sie oft, bei lächelndem Munde, mit Rosen
Ihre Spitzen besteckt, hurtig dem Schützen zurück!
Und so glich sein Lebensgenuß den schlängelnden Gängen
Eines englischen Parks, ja! noch verdoppelt sogar!
Denn die Armuth hatt‹ am kalten eisernen Arme
Ihn in früherer Zeit rauhere Pfade geführt.
Ach! drum hätt‹ er so gern sich länger des Lebens gefreuet,
Aber federleicht wog es ihm gegen die Pflicht,
Und so verließ er uns früh! Ihn tadlen möchte die Freundschaft,
Nur die Bewunderung hält jeglichen Tadel zurück.

*zum „spötter« marcus herz kann man hier ein hübsches beispiel studieren, seine „freymüthige kaffeegespräche zwoer jüdischen zuschauerinnen über den juden pinkus“: https://onb.digital/result/1092B3CE

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