Clara Arnheim und die Malweiber 


28.6.1942. „liebe frau schwartz, […] man will jetzt die alten von hier entfernen, und auch mir droht das geschick, plötzlich wohnung und vaterstadt verlassen zu müssen. in diesem falle war es ein glück, dass ich krank war. so konnte mein doktor mir nach bestem gewissen ein attest ausstellen, dass ich nicht transportfähig bin. das hat viel genutzt, denn ich bin noch hier in meiner wohnung, und ein transport ging ohne mich ab. […] ich höre von 88jährigen, die mitsollen. ich vertraue auf gott. seine wege verstehen wir nicht – aber man muss sich gehorsam fügen, wenn neues leid kommt.  […] in gedanken bin ich viel mit ihnen und wenn einmal ein etwas wärmerer tag ist und ich abends auf dem balkon sitze und der mond scheint, dann denke ich an die schönen hiddenseeabende. wir müssen dankbar sein für all das schöne, was wir genossen haben. sie wissen, wie ich an der heimat hänge und ich wäre doch gern auf dem friedhof neben den geschwistern zur letzten ruhe gebettet.  aber noch lasse ich die hoffnung hierzubleiben nicht sinken und bin ruhig und gefasst auf alles. […] so machen sie sich keine sorgen um mich.
wie gott will! ihre clara arnheim.“  

es ist der letzte brief der malerin (gerichtet an ihre ehemalige vermieterin auf hiddensee, die ihr heimlich lebensmittelpakete nach berlin geschickt hatte). elf tage später wird clara arnheim nach theresienstadt deportiert und stirbt dort am 28. august 1942. 

clara gehörte zu einem einzigartigen frauennetzwerk, dem „hiddensoer künstlerinnenbund“. 1920 gegründet von ihr, henni lehmann (1862–1937), käthe loewenthal (1878–1942) und julie wolfthorn (1864–1944). alle vier opfer wurden opfer des ns-regimes. henni nahm sich das leben, clara und käthe starben in theresienstadt, julie wurde in izbica ermordet.
die „malweiber“ waren mit anderen gleichgesinnten seit den 1910er jahren jeden sommer nach hiddensee gekommen, manche immer gleich für mehrere monate. sie wohnten in der mitte der insel, in vitte, da, wo heute stolpersteine für sie liegen, und trafen sich bei henni lehmann in deren haus oder der daneben liegenden „blauen scheune“, malten dort oder zogen mit ihren staffeleien in die anregende landschaft hinaus, organisierten ausstellungen und inspirierten sich gegenseitig. 1933, nach der machtübergabe an die nazis, wurde der künstlerinnenbund zwangsaufgelöst. die jüdischen malerinnen wurden bald darauf mit arbeits-, ausstellungs- und reiseverbot belegt.außer julie wolfthorn, der durch ihre porträts heute noch bekanntesten der vier frauen (sie kam aus thorn/toruń und ihr vater josef wolf war ein erfolgloser amerika-heimkehrer, der sich noch vor ihrer geburt umbrachte), stammten die malerinnen alle aus gut bürgerlichen berliner arztfamilien: clara arnheims eltern waren der arzt adolf arnheim und seine frau frederike; käthe loewenthal war die älteste tochter des renommierten hygienikers wilhelm loewenthal und seiner frau clara, und hanni lehmanns vater war der mediziner wolfgang straßmann, ein liberaler stadtverordneten und mitglied des preußischen abgeordnetenhauses.seine tochter hanni malte und schrieb auf hiddensee nicht nur, sondern engagierte sich auch lokal und sozial stark. sie gab den insulanern ein darlehen zum bau eines ärztehauses, war mitgründerin des hiddenseer naturschutzvereins und der genossenschaftsreederei und hatte neben der blauen scheune ein landhaus bauen lassen (das heute als kulturhaus ihren namen trägt). genutzt hat das alles nichts. schon mitte der zwanziger jahren begann man auch in ihrer wahlheimat mit „juden finden hier keine aufnahme“ zu werben. der rest ist bekannt.

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