Musik(er) und Krieg


als der erste weltkrieg begann, war maurice ravel  (*7.3.1875) 39 jahre alt. sein drei jahre jüngerer bruder édouard war eingezogen worden, und auch maurice, den man als jungen mann wegen „schwäche“ (seiner körpergröße von 1,61 und untergewicht) für dienstuntauglich erklärt hatte, meldete sich zum kriegsdienst, wurde erst abgelehnt, landete aber 1915 doch noch als lkw-fahrer beim sanitätsdienst eines artillerieregiments.  ravel war franzose und patriot. doch anders als es die deutschen getan haben, anders als es jetzt mit der musik russischer komponisten passiert, fand er es falsch, musik aus feindesland „auszuradieren“. 1915 hatte sich eine „ligue nationale de la défense de la musique française“ konstituiert, um ein aufführungsverbot für werke deutscher und österreichischer komponisten durchzusetzen. sie wurde von 80 französischen musikern unterstützt. ravel lehnte ab. er war gegen eine „nationale clique“ und erklärte: „…es ist mir egal, ob beispielsweise herr schönberg österreicher ist. er ist deswegen nicht weniger ein musiker von großem wert.“ („iI m’importe peu que m. schönberg, par exemple, soit de nationalité autrichienne. il n’en est pas moins un musicien de haute valeur.“

maurice ravel bezog auf seine weise stellung zum krieg. 1914, noch bevor halb europa in flammen stand, hatte er ein klavierstück zu ehren des komponisten françois couperin zu schreiben begonnen, für das er sich von einer „furlana“ couperins, einem alten friaulanischen tanz, inspirieren ließ, und das er „französische suite“ nennen wollte. es kam anders.  an allen fronten starben nun soldaten wie die fliegen. als ravel nach einer ruhr-erkrankung 1917 vom militär entlassen wurde, hatte er nicht nur den tod seiner mutter, an der er sehr hing zu beklagen, sondern auch den sinnlosen tod etlicher seiner freunde und bekannten. er setzte sich wieder an seine klaviersuite und schrieb sie zu ende. zum andenken an seine toten kameraden nannte er sie in „le tombeau de couperin“ um („tombeau“, also „grabmal“, war schon im barock die bezeichung für trauermusik, die komponisten für verstorbene kollegen schufen) und widmete jeden der sechs sätze einem dieser freunde.  der erste war für jacques charlot, ein cousin seines verlegers, der 1915 gefallen ist. der zweite war für jean-louis cruppi, für dessen mutter, die sängerin louise cruppi, „die spanische stunde« komponiert hatte. der dritte satz galt gabriel deluc, einem 1916 gefallenen baskischen malerfreund. der vierte satz erinnert an die brüder pascal und pierre gaudin, die 1914 an ihrem ersten tag an der front beide von der selben bombe getötet wurden. der fünfte war für jean dreyfus, der 1917 gefallen war und dessen mutter sich um ravel gekümmert hatte, nachdem seine eigene mutter gestorben und er aus dem kriegsdienst entlassen worden war. den letzten satz widmete er joseph de marliave, einem musikwissenschaftler, der gleich im august 1914 getötet wurde. seine witwe, die pianistin marguerite long, hat „tombeau“ dann 1919 auch als erste aufgeführt – sechs kleine juwelen, die eher beschwingt als traurig klingen. ravel soll gesagt haben, die toten seien schon traurig genug in ihrer ewigen stille. 

hier eine version: https://youtu.be/hcuPVgpUKKs

abb.: ravel als soldat 1916, und das von ihm selbst gezeichnete titelblatt zu der suite

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