Die Tänzerin Pola Nireńska

pola nireńska tanzt ihre choreografie „krzyk“ („der schrei“) beim internationalen wettbewerb für solotanz 1933 in warschau

pola wurde 1910 als tochter des krawattenhändlers mordechai nirensztajn und seiner frau ita in warschau geboren. als kind besuchte sie tanz-sommerlager für mädchen (nachdem ihr religiöser vater die erlaubnis eines rabbiners eingeholt hatte). mit 15 führte sie ihre erste choreografie zu saint-saëns „totentanz“ für ihre schwestern in der küche der elterlichen wohnung auf. mit 17 wollte sie eine tanzschule besuchen und „überredete« ihre orthodoxen eltern, die das nicht zulassen wollten, indem sie sich drei tage lang in ihrem zimmer einschloss und sich weigerte zu essen oder zu schlafen – bis der vater ihr einen pass unter der tür durchschob und sie versprach, sich mit dem unterrichten zu begnügen und niemals in der öffentlichkeit zu tanzen.  mordechai nirensztajn verkaufte ein haus, das er in berlin besaß und finanzierte so ihre tanzausbildung. im herbst 1929 wurde pola an der wigman-schule angenommen, die die expressionistische tanzpionierin mary wigman in dresden gegründet hatte. nach ihrem abschluss 1932 war das versprechen, das sie ihren eltern gegeben hatte, natürlich längst vergessen. sie trat wigmans 14-köpfiger moderner tanzgruppe bei und tourte mit ihr und solo, nun unter dem polonisierten namen „nireńska“, durch europa und die usa. nach der machtübergabe an die nazis wurde zusammen mit den anderen jüdinnen aus der gruppe entlassen.

pola floh aus nazideutschland nach warschau zurück, wo das foto entstand und sie den ersten preis gewann (wie ein jahr später in wien ebenfalls den ersten preis für choreografie und den zweiten für solotanz). in polen wurde sie jedoch nicht nur mit bewunderung von den freunden des modernen tanzes, sondern auch mit bösartigen antisemitischen verleumdungen der katholischen presse überhäuft. sie musste weg, war dann kurz solistin am opernhaus in florenz, floh aber angesichts des aufstiegs mussolinis nach england weiter und überlebte dort den krieg, während 75 mitglieder ihrer familie im holocaust umkamen. nur ihre eltern und eines ihrer drei geschwister hatten überlebt und wanderten nach israel aus. sie selbst zog nach der scheidung von ihrem ersten mann 1947 in die vereinigten staaten. nach schwierigen anfängen in new york fand sie eine lehrstelle in washington und zog dorthin. 1956 gründete sie eine tanzkompanie. und ihre karriere nahm wieder fahrt auf.

1965 heiratete pola den diplomaten jan karski, der als kurier der polnischen heimatarmee und augenzeuge bekanntlich schon 1942 neben seiner exilregierung in london auch die britische und amerikanische regierung über die systematische ermordung der juden und die situation u.a im warschauer ghetto unterrichtet hatte, und den sie schon aus london kannte. beide waren tief gezeichnet von den ereignissen des krieges und gelobten einander, niemals über den holocaust zu sprechen. doch dann kam claude lanzmann und überredete karski 1978 zu einem interview für seine dokumentation „shoah“ (die dann 1985 fertig wurde). das schweigen war gebrochen. und beider leben und arbeiten drehte sich ab nun fast nur noch um ihr lebenstrauma. jan karski wurde in der welt herumgereicht und pola nireńska choreografierte einer reihe von werken, die als „the holocaust tetralogy“ große beachtung fanden, unter anderem „dirge“ zu ernst blochs „concerto grosso no.1«, der sie den untertitel „in memory of those i loved who are no more’’ gab.
der pulitzer-preisträger alan m. kriegsman in der washington post 1990: „they constitute a daring attempt, within the humanistic tradition of modern dance, to bear the unbearable and speak the unspeakable.” 
anfang 1992 zogen jan karski und pola nireńska von einem haus mit garten in eine wohnung im 11. stock. ein halbes jahr später stürzte pola dort vom balkon. karski gab an, sie habe auf einem hocker gestanden, um die blumen zu gießen. andere glauben an suizid; beide waren immer wieder von den geistern des vergangenheit heimgesucht worden, pola hatte jahrzehnte an depressionen gelitten und zu der zeit bereits fünf erfolglose selbstmordversuche hinter sich.

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