Offenbacher Haggada


die „offenbacher haggada“, 1927 für siegfried guggenheim gestaltet und in 300 exemplaren in seinem privatverlag gedruckt

der aus worms stammende kunstmäzen siegfried guggenheim – weltkriegsteilnehmer, promovierter jurist und lange jahre vorsitzender der jüdischen gemeinde offenbachs – wollte eigentlich seine kinder motivieren, sich für die jüdischen feiertage zu interessieren. er sammelte legenden, gleichnisse, sprüche und lieder, die er teilweise ins deutsche übersetzte, damit auch die hebräisch-unkundigen mitsingen konnten. eine auswahl davon landete schließlich neben der eigentlichen erzählung vom auszug aus ägypten in diesem buch, dem ein motto des mittelalter-philosophen meister eckhart vorangestellt war: „was der mensch liebt, das ist der mensch.“
die „symbiotischen“ züge setzten sich in der gestaltung fort. die offenbacher pessach-haggada ist ein rares beispiel für ein jüdisch-christliches oder jüdisch-nichtjüdisches gemeinschaftswerk. außer dem am rande beteiligten typografen berthold wolpe stammten alle gestalter aus dem nicht-jüdischen freundeskreis guggenheims: der grafiker friedrich heinrichsen und max dorn, der den satz besorgte, genauso wie die hauptakteure, der berühmte offenbacher kunstprofessor rudolf koch, der ein eigene schrift für die haggada geschnitten (und dabei laut guggenheim etliche flaschen wein vernichtet) und fritz kredel, der die zeichungen und aus ihnen handkolorierte holzschnitte angefertigt hat.
wenige jahre später wäre ein solches projekt in deutschland nicht mehr möglich gewesen. koch starb 1934, wolpe emigrierte 1935 nach london, der hitler-gegner kredel floh 1936 nach österreich und wurde später ein bekannter grafiker in den usa, und siegfried guggenheim, dem 1936 die zulassung als rechtsanwalt entzogen worden war, emigrierte 1938 nach einer inhaftierung im kz buchenwald mit seiner frau ebenfalls in die usa.

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